Reiche Ernten in heißen Zeiten

Das Projekt EpiPotato will klimaresistente Kartoffeln erzeugen

29.09.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Gene stillegen mit einem Virus: Die Wildkartoffel Solanum pinnatisectum wurde mit Kartoffelvirus X infiziert, um bestimmte Gene der Kartoffel abzuschalten. Der Virus wurde vorher dahingehend verändert, dass er das grünfluoreszierende Protein GFP ausprägt. Unter UV leuchtet die Blüte bläulich und das GFP grünlich. Das System dient der Überprüfung der Virusausbreitung. (Bildquelle: © Rabih Mehdi)

Gene stillegen mit einem Virus: Die Wildkartoffel Solanum pinnatisectum wurde mit Kartoffelvirus X infiziert, um bestimmte Gene der Kartoffel abzuschalten. Der Virus wurde vorher dahingehend verändert, dass er das grünfluoreszierende Protein GFP ausprägt. Unter UV leuchtet die Blüte bläulich und das GFP grünlich. Das System dient der Überprüfung der Virusausbreitung. (Bildquelle: © Rabih Mehdi)

Mit steigenden Temperaturen bilden Kartoffelpflanzen weniger Knollen. Ziel des Projekts EpiPotato ist es, diesen Trend mit Hilfe von epigenetischen Veränderungen zu stoppen. Dadurch sollen die Pflanzen trotz Klimawandel weiterhin stabile Erträge liefern.

Als die Kartoffelknollen im 16. Jahrhundert aus den südamerikanischen Anden nach Europa kamen, fanden sie hierzulande die perfekten Temperaturen vor. Denn die Kartoffel mag es eher kühl. Doch der Klimawandel und die dadurch stetig steigenden Temperaturen machen den Pflanzen zu schaffen. In ihrer Not drosseln sie die Knollenproduktion. „Erwärmt sich der Boden auf mehr als 28° Celsius, bildet sie fast gar keine Knollen mehr“, erklärt Uwe Sonnewald, Professor für Biochemie an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen.

In Südeuropa ist der Kartoffelanbau deshalb schon heute schwierig geworden. Einige Landwirt:innen bringen ihre Saatkartoffeln bereits im Januar oder Februar in die Erde, damit die Pflanzen später der größten Hitze entgehen können. Da Kartoffeln jedoch frostempfindlich sind, ist diese Methode auch riskant: Ein später Frühjahrsfrost kann die gesamte Ernte vernichten. Es besteht daher weltweit ein großer Bedarf an hitzetoleranten Kartoffelsorten.

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Prof. Uwe Sonnewald begutachtet Kartoffelpflanzen in der Gewebekultur.

Prof. Uwe Sonnewald begutachtet Kartoffelpflanzen in der Gewebekultur.

Bildquelle: © AG Sonnewald

Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel

Uwe Sonnewald forscht schon lange an der Frage, wie man Pflanzen besser an Hitze- und Dürreperioden anpassen kann. Im Projekt EpiPotato hat er sich das Ziel gesetzt, die Hitzetoleranz der Kartoffeln zu verbessern. Seine Methode setzt jedoch nicht auf klassische Genetik, also das Einfügen oder Entfernen von Genen. Stattdessen sollen vorhandene Gene durch das Anhängen von Methylgruppen gezielt an- oder abgeschaltet werden – also ein sogenannter epigenetischer Ansatz.

Ob eine Stressanpassung der Kartoffelpflanze durch epigenetische Veränderungen funktionieren kann, ist derzeit unbekannt und soll mit diesem Projekt geklärt werden. Zwei weitere Projektpartner unterstützen Sonnewald dabei: Der Kartoffelzüchter Solana Deutschland hat für die Experimente die notwendige Kartoffelpopulation bereitgestellt. Hinzu kommt die Forschungseinrichtung Agroscience, die auf Gene-Silencing mit Hilfe kleiner RNAs spezialisiert ist und mit dieser Methode ausgesuchte pflanzliche Gene epigenetisch stilllegen kann.

​​​​​Das Vorgehen

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Stephen Reid, technischer Mitarbeiter, bei der Probennahme im Feld.

Stephen Reid, technischer Mitarbeiter, bei der Probennahme im Feld.

Bildquelle: © Sophia Sonnewald (privat)

Im ersten Schritt ging es darum, diejenigen Gene zu finden, die bei Hitze die Knollenbildung hemmen.

Dazu hat das Team der FAU Erlangen zunächst untersucht, welche gängigen Kartoffelsorten besonders anfällig oder tolerant gegenüber Hitze sind. Dafür bauten sie 181 Sorten an, setzten sie Hitzestress aus und wogen am Ende der Saison das Gewicht der Knollen. Zwei Sorten stachen dabei heraus: die hitzetolerante Sorte Annabelle mit hohem Ertrag trotz Hitzestress und die hitzesensible Sorte Camel mit einem sehr geringen Knollenansatz.

Als nächster Schritt standen nun standen Kreuzungen dieser beiden Kartoffelsorten an. Die Strategie dahinter: Die Kreuzungsnachkommen mit einer Kombination von Allelen aus beiden Elternsorten reagieren unterschiedlich auf Hitzestress. Die Genaktivität korreliert dabei mit der jeweiligen Merkmalsausprägung der Nachkommen. Somit lassen sich Gene oder Genregionen kartieren, die für die Hitzetoleranz bzw. -sensibilität verantwortlich sind. Solana Research führte die Kreuzungen durch und stellte der Arbeitsgruppe von Sonnewald mehr als 500 genetisch unterschiedliche Nachkommen der F1-Generation zur Verfügung.

Nach einer Vorselektion der am stärksten anfälligen bzw. toleranten Nachkommen folgte ein Hitzestress-Experiment mit den Elternlinien und den ausgewählten Kreuzungsnachkommen. Von jeder Pflanze wurde ein Klon unter Normalbedingungen und ein zweiter unter moderatem Hitzestress bei 30°C am Tag und 28°C in der Nacht kultiviert. Kurz bevor diese hitzebehandelten Pflanzen absterben würden, wurden sie in das Kontrollgewächshaus transferiert und duften hier unter normalen Bedingungen weiterwachsen und Knollen bilden.

Hitzetolerante Pflanzen investieren weniger in Verteidigung

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Friedrich Kauder (Solana Research) begutachtet Kartoffelpflanzen in der Klimakammer.

Friedrich Kauder (Solana Research) begutachtet Kartoffelpflanzen in der Klimakammer.

Bildquelle: © Solana GmbH

Nun sollte sich zeigen, welche Gene für starke oder geringe Knollenbildung verantwortlich sind. Dazu bestimmten die Forscher:innen am Ende der Saison die Erträge der Pflanzen und analysierten deren Transkriptom, also welche Gene besonders aktiv und daher in RNA umgeschrieben worden waren. Dabei fanden sie heraus, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen der Hitzetoleranz und der Expression von Abwehrgenen gibt. Hitzetolerante Pflanzen investieren offenbar weniger Ressourcen in die Verteidigung. Sie produzieren also zum Beispiel weniger sekundäre Pflanzenstoffe wie Sesquiterpene, die u.a. vor Fraßfeinden schützen.

Nun führten die Forscher:innen DNA-Methylomanalysen durch, um die Zusammenhänge zwischen Ertrag, Genaktivitäten und den spezifischen Methylierungsmustern der genomischen DNA aufzudecken. Die Ergebnisse überraschten die Forschenden. Denn die DNA-Methylierung scheint nicht den großen Einfluss zu haben, von dem sie ursprünglich ausgegangen waren.

„Es ist bisher schwierig, die Änderungen bei der Transkription einzelner Gene tatsächlich der Methylierung zuzuordnen“, sagt Uwe Sonnewald. „Es scheint doch eher in der Genetik der Kartoffelsorten zu liegen, ob sie gut oder schlecht mit Hitzestress zurechtkommen. Es könnte jedoch auch sein, dass unser Hitzestress nicht stark genug war, daher wiederholen wir das Experiment jetzt unter extremen Hitzebedingungen.“

Gene-Silencing in Kartoffel unerwartet schwierig

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Der Doktoranden Rabih Mehdi und die Doktorandin Julia Eydam mit Kartoffelpflanzen im Gewächshaus. Beide haben bei den VIGS-Experimenten einen langen Atem bewiesen.

Der Doktoranden Rabih Mehdi und die Doktorandin Julia Eydam mit Kartoffelpflanzen im Gewächshaus. Beide haben bei den VIGS-Experimenten einen langen Atem bewiesen.

Bildquelle: © Uwe Sonnewald

Bei einem Gen konnte allerdings ein Zusammenhang zwischen dem Methylierungsmuster und seiner Expression gefunden werden: SP6A. Dieses Gen steuert die Knollenbildung, und die Forscher fanden in früheren Arbeiten heraus, dass wenn es durch einen gentechnischen Eingriff übermäßig stark produziert wird, die genveränderten Pflanzen trotz Hitze relativ viele Knollen ausbilden.

Mit Hilfe von Virus-induziertem Gene-Silencing (VIGS) wollen die Forschenden daher nun versuchen, Gene epigenetisch (also durch Methylierung) stillzulegen, die das Gen SP6A hemmen. Also Gene für Transkriptionsfaktoren, die an den Promotor von SP6A binden und ihn somit blockieren.

Doch dieses Experiment wurde viel schwieriger als gedacht. „Die Kartoffel ist etwas widerspenstig und macht beim VIGS nicht richtig mit“, erzählt Uwe Sonnewald lachend. „Das ist wissenschaftlich gesehen aber auch sehr spannend.“ Seine beiden Doktoranden Julia Eydam und Rabih Mehdi ließen sich von den vielen Rückschlägen nicht beirren und fanden schließlich, nach jahrelangem herumprobieren, eine Möglichkeit, Gene in der Kartoffel mit Hilfe von VIGS stillzulegen.

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Das Blatt links ist ein GFP exprimierendes Nicotiana benthamiana unter der UV-Lampe. Die orange Blattfarbe ist eine Mischung aus GFP und Chlorophyll-Autofluoreszenz. Rechts ist die Stilllegung von GFP durch transitive siRNAs dargestellt. Rote Bereiche zeigen GFP-freie Chlorophyllfluoreszenz unter dem UV-licht an.

Das Blatt links ist ein GFP exprimierendes Nicotiana benthamiana unter der UV-Lampe. Die orange Blattfarbe ist eine Mischung aus GFP und Chlorophyll-Autofluoreszenz. Rechts ist die Stilllegung von GFP durch transitive siRNAs dargestellt. Rote Bereiche zeigen GFP-freie Chlorophyllfluoreszenz unter dem UV-licht an.

Bildquelle: © Agroscience

Neben der DNA-Methylierung können kleine interferierende RNAs (siRNAs) die Gen-Stilllegung epigenetisch regulieren. Eine spezielle Klasse von siRNAs wird in Gegenwart der Ziel-RNA selbst amplifiziert, was als „Transitivität“ bezeichnet wird. Der Doktorand Arvid Hanke bei Agroscience hat gezeigt, dass die transitiven siRNAs auf die embryonalen Gewebe von Nicotiana benthamiana übertragen werden, wenn die stillgelegten Gewebe vegetativ vermehrt werden. Dadurch wird auch die Zielgenexpression in den neu wachsenden Pflanzen stillgelegt. Dieser Ansatz hat das Potenzial, die Genexpression ohne Änderungen der Kernstrukturen wie DNA oder Histone in vegetativ vermehrten Pflanzen wie Kartoffeln zu kontrollieren. Agroscience untersucht die Stabilität transitiver RNAs in Kartoffeln, um Gene, die die Hitzetoleranz negativ beeinflussen, stillzulegen.

Ausblick

Die Methylierungsanalysen sind sehr umfangreich und noch lange nicht abgeschlossen. Auch die VIGS- Methode, mit der man gezielt epigenetische Muster in jede Sorte einbringen kann, muss bei der Kartoffel noch verfeinert werden. „Es wäre natürlich fantastisch, wenn uns das gelänge. Dann bräuchte man erstens keine aufwändigen Kreuzungen mehr zu machen und zweitens wären auch keine gentechnischen Methoden nötig, um unser Ziel zu erreichen“, erklärt Uwe Sonnewald.


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Titelbild: Gene stillegen mit einem Virus: Die Wildkartoffel Solanum pinnatisectum wurde mit Kartoffelvirus X infiziert, um bestimmte Gene der Kartoffel abzuschalten. Der Virus wurde vorher dahingehend verändert, dass er das grünfluoreszierende Protein GFP ausprägt. Unter UV leuchtet die Blüte bläulich und das GFP grünlich. Das System dient der Überprüfung der Virusausbreitung. (Bildquelle: © Rabih Mehdi)