Pflanzliches Immunsystem

Gut verpackt im Gleichgewicht

12.09.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Vom Tomatenmosaikvirus befallene Tomatenblätter. Doch in vielen Fällen können sich die Tomatenpflanzen gut gegen das Pathogen verteidigen – mit Hilfe einer ausgeklügelten und mehrstufigen Immunsystems. (Bildquelle: © Scot Nelson / Flickr)

Vom Tomatenmosaikvirus befallene Tomatenblätter. Doch in vielen Fällen können sich die Tomatenpflanzen gut gegen das Pathogen verteidigen – mit Hilfe einer ausgeklügelten und mehrstufigen Immunsystems. (Bildquelle: © Scot Nelson / Flickr)

Das pflanzliche Immunsystem soll Pathogene schnell und wirksam bekämpfen, ohne dabei unerwünschte Autoimmunreaktionen auszulösen. Das gelingt unter anderem durch die geschickte Verpackung von Rezeptormolekülen. Die neuen Erkenntnisse könnten auch dazu beitragen, unsere Nutzpflanzen besser gegen Pathogene zu wappnen.

Pflanzen kommen ständig mit einer Vielzahl von Pathogenen in Kontakt und müssen sich angemessen dagegen wehren. Dafür haben sie, genau wie Tiere auch, ein mehrstufiges Immunsystem. Als erste Verteidigungslinie dient die sogenannte Mustererkennungs-Immunität. Hierbei erkennen Rezeptoren in der pflanzlichen Zellmembran Moleküle auf den Zelloberflächen von Mikroben, die über viele Arten hinweg konserviert sind.

Einige Pathogene haben im Lauf der Zeit gelernt, diese pflanzliche Immunantwort mit sogenannten Effektor-Molekülen auszuschalten. Die Pflanzen wiederum reagieren darauf mit der zweiten Verteidigungslinie, der Effektorerkennungs-Immunität. Dazu gehört oft das gezielte Absterben von Pflanzenzellen am Ort der Infektion, auch Apoptose oder programmierter Zelltod genannt. Diese drastische Maßnahme darf aber nur dann getroffen werden, wenn tatsächlich ein Pathogenbefall vorliegt. Die Pflanzen müssen also sehr genau aufpassen, dass dieser Vorgang zwar schnell stattfinden kann, jedoch keinesfalls unbeabsichtigt aktiviert wird.

NRC2 ist ständig in hohen Mengen vorhanden

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Tomatenpflanzen, die von Braunfäule befallen sind. Tomaten gehören zu den Nachtschattengewächsen und produzieren in ihren Zellen ständig große Mengen an Verteidigungsmolekülen, um im Bedarfsfall schnell handeln zu können.

Tomatenpflanzen, die von Braunfäule befallen sind. Tomaten gehören zu den Nachtschattengewächsen und produzieren in ihren Zellen ständig große Mengen an Verteidigungsmolekülen, um im Bedarfsfall schnell handeln zu können.

Bildquelle: © Goldlocki, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Eine wichtige Rolle spielen bei dieser Verteidigungsart sogenannte NLR-Proteine. Sie erkennen spezifische Effektoren von Krankheitserregern und aktivieren eine starke Immunantwort. Wird jedoch zu viel NRL produziert, kann das unerwünschte Autoimmunreaktionen zur Folge haben. Es kommt also auf das Gleichgewicht an. Interessanterweise gibt es ein NLR-Protein, bekannt als NRC2, dass ständig in hohen Mengen in der Zelle vorliegt, ohne dass es zu einer unerwünschten Selbstaktivierung kommt.

Ein Internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Paul Schulze-Lefert vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und Professor Ji-Jie Chai von der Westlake University in China hat sich dieses NRC2-Protein genauer angeschaut und einen neuen Regulationsmechanismus entdeckt.

Oligomerisierung macht Molekül inaktiv

Für ihre Experimente nutzen sie die Tomate (Solanum lycopersicum), die zur Familie der Nachtschattengewächse gehört. Mit Hilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie konnten sie zeigen, dass der Rezeptor SINRC2 (die Tomate-spezifische Version von NRC2) bei hohen Konzentrationen Dimere, Tetramere und fadenförmige Oligomere bildet und infolgedessen inaktiv ist. SINRC2 wird durch die Oligomerisierung auch davon abgehalten, sich zu einer aktiven Form zusammen zu lagern.

Diese ständige Akkumulation von NLRs könnte die Pflanzen auf eine schnelle Reaktion bei Pathogenbefall vorbereiten. „Die Selbstverpackung von Immunrezeptoren im Inneren von Zellen ist ein eleganter Weg der Natur, um eine schnelle Immunantwort ohne das Risiko einer Autoimmunität zu gewährleisten“, fasst Paul-Schulze Lefert zusammen.

Auch bei Tieren, einschließlich des Menschen, wurde beobachtet, dass strukturverwandte Immunrezeptoren geordnete Verbünde bilden, um Autoimmunantworten zu unterbinden. Es scheint sich also um eine universelle Strategie zu handeln, den Balanceakt der Immunantwort bei Pflanzen und Tieren im Gleichgewicht zu halten.

Inositol als Co-Faktor

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Inositolhexakisphosphat (IP6) reguliert die Immunantwort: IP6-Bindungsstellen im SlNRC2-Dimer. Ein IP6-Molekül und ein ADP-Molekül binden ein SlNRC2-Monomer. IP6-Moleküle sind in rot und ADP-Moleküle in hellblau dargestellt.

Inositolhexakisphosphat (IP6) reguliert die Immunantwort: IP6-Bindungsstellen im SlNRC2-Dimer. Ein IP6-Molekül und ein ADP-Molekül binden ein SlNRC2-Monomer. IP6-Moleküle sind in rot und ADP-Moleküle in hellblau dargestellt.

Bildquelle: © MPI-PZ

Eine zweite überraschende Erkenntnis war, dass jeder einzelne Immunrezeptor an ein Inositolphosphat (IP5 oder IP6) gebunden ist. Dieses ist als Co-Faktor sowohl für die Aktivierung des Rezeptors als auch für den Zelltod unerlässlich. Mutationen, die die Bindung dieser Co-Faktoren verhindern, führten bei der Modellpflanze Nicotiana benthamiana zu einer verminderten Fähigkeit des Proteins, eine Immunantwort auszulösen. Ein Beispiel ist die CP-induzierte Immunantwort, die durch Coat Proteins (CPs, Hüllproteine) von pathogenen Viren ausgelöst wird.

„Die Tatsache, dass IP5/6-Bindung für die CP-induzierte Immunantwort von SlNRC2 essenziell ist, deutet auf eine Verbindung zwischen dem IP-Signalweg und den pflanzlichen Verteidigungsantworten hin“, schreiben die Autoren in ihrem Paper. „IPs sind bereits dafür bekannt, an zahlreichen zellulären Prozessen in Pflanzen und Tieren beteiligt zu sein, inklusive Phosphat-Homöostase, Energiestoffwechsel und Signalweiterleitung.“

Die Studie gibt neue Einblicke in die Komplexität der pflanzlichen Immunantwort. Vielleicht tragen die Erkenntnisse eines Tages auch dazu bei, unsere Kulturpflanzen besser vor Schädlingsbefall zu schützen.


Quelle:
Ma, S., An, C., Lawson, A.W. et al. Oligomerization-mediated autoinhibition and cofactor binding of a plant NLR. Nature 632, 869–876 (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07668-7

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Titelbild: Vom Tomatenmosaikvirus befallene Tomatenblätter. Doch in vielen Fällen können sich die Tomatenpflanzen gut gegen das Pathogen verteidigen – mit Hilfe einer ausgeklügelten und mehrstufigen Immunsystems. (Bildquelle: © Scot Nelson / Flickr)