Bodenversalzung

Eine fatale Dreiecksbeziehung: Salz + Bakterium = Krankheit

11.06.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Zu viel Salz im Boden behindert das Pflanzenwachstum. Auf dem Foto sind versalzte Felder in Zentral-Kalifornien zu sehen. (Bildquelle: ©Scott Bauer / Wikipedia, gemeinfrei)

Zu viel Salz im Boden behindert das Pflanzenwachstum. Auf dem Foto sind versalzte Felder in Zentral-Kalifornien zu sehen. (Bildquelle: ©Scott Bauer / Wikipedia, gemeinfrei)

Das Bakterium R401 ist unter normalen Umweltbedingungen förderlich für die Entwicklung von Pflanzen. Doch bei einem hohen Salzgehalt im Boden wendet sich das Blatt: Dann wird R401 tödlich. Der Mechanismus dahinter hat selbst die Forschenden überrascht.

Pflanzen leben in Symbiose mit Bakterien. Vor allem an den Wurzeln finden sich große Bakteriengemeinschaften, auch Wurzelmikrobiom genannt. Diese machen die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Stress und Krankheitserreger.

Zum Wurzelmikrobiom gehört auch regelmäßig das gramnegative Bakterium Pseudomonas brassicacearum R401. Unter normalen Umweltbedingungen ist R401 ein „freundlicher Mitbewohner“. Doch das ändert sich, wenn der Salzgehalt im Boden steigt. Dann kann R401 zur Gefahr für die Pflanzen werden und ihr Wachstum behindern.

R401 wirkt über einen Exometabolit

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ammlung von Wurzel-assoziierten Bakterien in Kultur. Einige Bakterienstämme sind schädlich für Pflanzen, wenn der Boden höhere Salzkonzentrationen aufweist, darunter auch Pseudomonas brassicacearum R401.

ammlung von Wurzel-assoziierten Bakterien in Kultur. Einige Bakterienstämme sind schädlich für Pflanzen, wenn der Boden höhere Salzkonzentrationen aufweist, darunter auch Pseudomonas brassicacearum R401.

Bildquelle: © Stéphane Hacquard

Bisher war nicht klar, welche molekularen Mechanismen dahinterstecken. Ein Forschungs-Team unter der Leitung von Stéphane Hacquard vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung und Professor Till F. Schäberle von der Justus-Liebig-Universität Gießen hat sich dieser Frage jetzt angenommen.

Häufig schleusen gramnegative Bakterien krankheitsauslösende Proteine direkt in das Zellplasma der Pflanzen ein. Ein solcher Injektionsapparat fehlt R401 jedoch. Das Bakterium scheint auch nicht direkt auf die pflanzliche Immunabwehr einzuwirken und sie abzudämpfen. Doch wie schädigt dann das Bakterium die Pflanzen? Die Antwort ist so einfach wie überraschend: R401 setzt ein Protein namens Brassicapeptin A frei, das gemeinsam mit Salz für die krankmachende Wirkung verantwortlich ist. Solche an die Umwelt abgegebenen Stoffe werden auch als Exometaboliten bezeichnet.

Kein Brassicapeptin A – keine Krankheit

Um die Vermutung zu bestätigen, dass Brassicapeptin A der Übeltäter ist, führten die Forschenden mehrere Experimente zu der Wechselwirkung von Salzstress und diesem Metaboliten durch.

  1. Sie erzeugten Knock-out-Mutanten von R401, die kein Brassicapeptin A mehr produzieren konnten. Wenn sie diese Bakterienstämme in das salzhaltige Wachstumsmedium von Arabidopsis-Pflanzen gaben, zeigten sich keinerlei krankmachende Effekte mehr. Die Bakterien ohne Brassicapeptin A förderten sogar das Wachstum von Pflanzen, die unter dem hohen Salzgehalt im Boden litten.
  2. Die schädliche Wirkung von Brassicapeptin A unter Salzstress wurde auch dann sichtbar, wenn sich im Wachstumsmedium noch weitere „gute“ Mikroben befanden. Dies betraf nicht nur die Modellpflanze Arabidopsis, sondern auch Tomatenpflanzen, obwohl diese beiden Pflanzen 112 Millionen Jahre getrennte Evolution hinter sich haben.
  3. Wurden Arabidopsis-Keimlinge in eine Nährlösung mit hohen Konzentrationen von Brassicapeptin A und Kochsalz angezogen starben sie sofort ab. Waren sie jedoch nur dem einen oder nur dem anderen Stoff ausgesetzt, blieben sie am Leben und zeigten weder vermindertes Wurzelwachstum noch gebleichte, gelbliche Blätter.

Brassicapeptin A schadet auch bei Trockenheit

Blieb zu klären, ob R401 auch beim Auftreten von anderen negativen Umwelteinflüssen zur Gefahr für die Pflanzen wird. Dafür simulierten die Forschenden einmal Trockenheit und einmal Lichtmangel. Bei Lichtmangel traten die bekannten Krankheitssymptome von R401 nicht auf. Bei Trockenheit jedoch schon. Das deutet darauf hin, dass die schädliche Wirkung von R401 durch hyperosmotischen Stress verstärkt wird.

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Unsere Nahrungspflanzen sind auf ausreichend Wasser angewiesen. Durch häufiges Bewässern gelangt allerdings auch viel Salz in den Boden.

Unsere Nahrungspflanzen sind auf ausreichend Wasser angewiesen. Durch häufiges Bewässern gelangt allerdings auch viel Salz in den Boden.

Bildquelle: © USDA / Wikipedia, gemeinfrei

Das liegt an der molekularen Struktur von Brassicapeptin A. Es besteht aus einem Fettsäureschwanz, der mit Aminosäuren verbunden ist. Dadurch kann das Molekül Poren in Membranen ausbilden, wodurch Stoffe, wie zum Beispiel Salzionen, die Zelle verlassen oder in sie hineingelangen können. Diese Porenbildung ist vermutlich auch dafür verantwortlich, dass Brassicapeptin A das Wachstum von bakteriellen und pilzlichen Konkurrenten behindern kann.

Auch wenn der Mechanismus besonders gewieft erscheint, so ist es doch vermutlich kein Einzelfall. Es ist denkbar, dass auch andere Bakterienspezies Moleküle mit ähnlicher Funktion herstellen, beispielsweise Mitglieder des Genus Bacillus spp.

Zukünftig mehr Salzstress auf den Feldern

Die Ergebnisse sind auch deshalb bedeutsam, weil in Zukunft wohl mehr Pflanzen auf unseren Feldern unter Salzstress leiden werde. Aufgrund der weltweit steigenden Temperaturen muss mehr bewässert werden – und das Wasser enthält Nährsalze, die sich dann nach Verdunstung des Wassers im Boden anreichern. Ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Umweltbedingungen und dem bakteriellen Mikrobiom kann dazu beitragen, die Nutzpflanzen effektiver vor schädlichen Auswirkungen zu schützen. Auch die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln auf Basis der neuen Erkenntnisse ist nun denkbar.


Quelle:
Getzke, F., Wang, L., Chesneau, G. et al. Physiochemical interaction between osmotic stress and a bacterial exometabolite promotes plant disease. Nat Commun 15, 4438 (2024). doi.org/10.1038/s41467-024-48517-5

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Titelbild: Zu viel Salz im Boden behindert das Pflanzenwachstum. Auf dem Foto sind versalzte Felder in Zentral-Kalifornien zu sehen. (Bildquelle: ©Scott Bauer / Wikipedia, gemeinfrei)