Risiko oder Gefahr?

Die so genannte Risikogesellschaft – also wir selbst – scheint ein Produkt der modernen Welt, ihrer Technik und ihrer Umstände zu sein. "Risikogesellschaft" ist ein relativ neuer Begriff.

Das scheint im Widerspruch zu der berechtigten Annahme zu stehen, dass das Leben der Menschen in früheren Zeiten doch gefährlicher gewesen sein muss als das heute lebender Menschen – zumindest in den Industrienationen. Speziell bei den Diskussionen um den Einsatz moderner Technologien ist fast immer von Risiken die Rede.

Offenbar muss zwischen den Begriffen Risiko und Gefahr unterschieden werden. Schon der Sprachgebrauch gibt einen Hinweis auf den Unterschied: Eine Gefahr tritt auf, ein Risiko geht man ein. Damit ist ein Risiko im Gegensatz zur Gefahr etwas, das man in Erwartung eines Gewinns oder Vorteils bewusst in Kauf nimmt. Beispielsweise nimmt man beim Skifahren das Verletzungsrisiko in Kauf, weil Ski fahren Spaß macht. Der Begriff Risiko ist eng mit der Voraussetzung verknüpft, dass ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen handelt oder eine Entscheidung trifft.

Eine Gefahr dagegen tritt von außen an uns heran, wir haben uns nicht ausgesucht, ihr zu begegnen. Gefahren im Sinne unbeeinflussbarer Einwirkungen, zum Beispiel durch wilde Tiere oder unbeherrschbare Naturereignisse, waren die Menschen in früheren Zeiten sicherlich in stärkerem Maße ausgesetzt als heute. Heutzutage gehen Menschen dafür viele Risiken ein, zum Beispiel beim Sport, im Verkehr oder eben durch die Nutzung moderner Technologien, die auch Schattenseiten haben können. Dabei ist es oft so, dass keine Handlungsalternative ganz sicher keinerlei negative Folgen haben wird, denn auch ein bloßes „Bleiben-lassen“ kann ja schlechte Folgen haben, die durch Handeln hätten vermieden werden können. Schließlich werden beispielsweise neue Technologien entwickelt, um bestimmte Probleme zu lösen.

In der Diskussion um moderne Züchtungsmethoden bei Pflanzen, wie etwa die Gentechnik, ist also auch oft von Risiken die Rede. Bei einer Meinungsbildung hierüber sollen die Risiken gegen die Chancen, die von der Technologie geboten werden, abgewogen werden. Wer aber nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen wird oder wessen Entscheidung nicht berücksichtigt wird, kann die möglichen negativen Folgen der Entscheidung als Gefahr empfinden. Diese Konstellation kann auftreten, wenn Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen stattfinden sollen, sich aber eine Bürgerinitiative dagegen wendet.

Die Wissenschaftler und die entsprechenden Genehmigungsbehörden haben Kenntnis über das Potenzial der Pflanzen. Sie halten die potenziellen Risiken, deren Eintritt noch dazu in diesem Stadium für unwahrscheinlich gehalten wird, für den erwarteten Nutzen für eingehbar. Die Einwohner jedoch haben eventuell das Gefühl, dass hier möglicherweise eine Gefahr von anderen an sie herangetragen wird. Dieser sehen sie sich ausgesetzt, ohne davon auszugehen, selbst irgendwann am potenziellen Nutzen teilhaben zu können.

Kompliziert kann die Angelegenheit insbesondere dann werden, wenn die Freisetzungsversuche ja gerade dem Ziel dienen, mögliche Risiken der Pflanzenzüchtung wissenschaftlich auszuschließen oder aufzudecken und Lösungen zu entwickeln.