Genbank Gatersleben und Freilandversuche mit gv-Weizen

„Wir haben sechzig Jahre Erfahrung bei der Vermehrung von Weizensamen.“

Sind Freilandversuche mit gentechnisch verändertem Weizen eine Gefahr für die Genbank in Gatersleben? - bioSicherheit sprach darüber mit deren Leiter, Prof. Andreas Graner.

Auf dem Gelände des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben (Sachsen-Anhalt) wurden 2007 und 2008 Freilandversuche mit mehreren gentechnisch veränderten Weizenlinien durchgeführt. Der am Institut entwickelte Weizen sollte in den Körnern einen höheren Proteinanteil und damit eine bessere Futtermittelqualität aufweisen. Zum Institut gehört auch die Genbank Gatersleben, eine der größten der Welt. Seit vielen Jahren lagern dort weit über hunderttausend Pflanzenmuster, auch Weizen. Im Sommer wird ein Teil davon im Feld angebaut und vermehrt.

Prof. Andreas Graner, Leiter der Genbank am IPK Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben; Innovationspreis der Gregor Mendel Stiftung (2004)

Vermehrungsflächen der Genbank Gatersleben für Weizen und Gerste. Seit vielen Jahren werden tausende unterschiedliche Weizenmuster immer wieder im Feld vermehrt. Damit sie in ihrem Originalzustand erhalten bleiben, ist es zwingend erforderlich, dass es dabei keine Vermischungen, Einkreuzungen oder andere genetische Veränderungen gibt.

Zerstört: Im April 2008 wurde das Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Weizen in Gatersleben von radikalen Gentechnik-Gegnern zerstört.

Fotos: IPK Gatersleben (2), Gendreck-weg

Gentechnik-Kritiker hatten gegen die Versuche protestiert. Sie sahen darin eine Gefahr für die Genbank,da es zu Einkreuzungen von gv-Weizen in die seltenen Pflanzen auf den Vermehrungsflächen der Genbank kommen könnte und daher wertvolle genetische Ressourcen gefährdet seien. Ein kleiner Teil der in der Genbank gelagerten Samenproben wird jährlich ausgepflanzt und im Feld vermehrt.

Als Selbstbestäuber befruchtet sich Weizen jedoch vorwiegend innerhalb der Blüte durch eigenen Pollen. Schon aus biologischen Gründen sind Auskreuzungen und damit eine mögliche Verbreitung der transgenen DNA unwahrscheinlich. Dennoch wurde das Versuchsfeld in einer Entfernung von 500 Metern zu den Weizen-Vermehrungsflächen der Genbank angelegt.

bioSicherheit: Sie sind Leiter der Genbank am IPK in Gatersleben. Welche Aufgaben hat die Genbank und welche Bedeutung kommt ihr zu?

Andreas Graner: Die Aufgabe der Genbank ist die Erhaltung, Bereitstellung und Dokumentation pflanzengenetischer Ressourcen. Die Genbank leistet einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung der Generosion, also des Aussterbens von Kulturpflanzen und der mit ihnen verwandten Wildarten.

bioSicherheit: Für welche Kulturpflanzen machen Sie das?

Andreas Graner: Wir befassen uns in erster Linie mit landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturpflanzen sowie ihren verwandten Wildarten. Insgesamt haben wir über 3000 verschiedene Arten in unserer Genbank aus mehr als 750 botanischen Gattungen. Im Hinblick auf die Artenvielfalt sind wir vermutlich die komplexeste Genbank weltweit. Mit einem Bestand von 150.000 Mustern aus über 3000 Arten gehören wir auch zu den größten Genbanken der Welt. Im russischen Wawilow-Institut werden noch mehr Pflanzenmuster aufbewahrt.

bioSicherheit: Ein Teil dieser Muster wird regelmäßig im Feld ausgepflanzt und vermehrt. Das ist notwendig, um die Samen aus den verschiedenen Herkünften zu erhalten. In welchem Umfang geschieht das und wie viel Proben werden jährlich angebaut?

Andreas Graner: Das ist je nach Art sehr unterschiedlich und richtet sich in erster Linie nach der Haltbarkeit der Samen. Diese liegt im Durchschnitt etwa bei 20 Jahren. Das bedeutet, dass wir jährlich fünf Prozent der Sammlung zu Vermehrungszwecken im Feld oder im Gewächshaus anbauen müssen. Das sind etwa 7500 Muster.

bioSicherheit: Wenn diese Muster im Feld vermehrt werden, muss man darauf achten, dass keine gegenseitige Vermischung stattfindet. Können Sie das ausschließen und welche Maßnahmen ergreifen Sie, um das zu verhindern?

Andreas Graner: Zum einen wenden wir pflanzenbauliche Maßnahmen an. So bauen wir im Getreidesortiment die einzelnen Weizenmuster nicht nebeneinander an, sondern alternierend mit Gerste. Dieser so genannte disjunktive Anbau wurde vor vielen Jahren in Gatersleben etabliert. Damit können wir weitgehend verhindern, dass es zu Fremdbefruchtungen - in diesem Beispiel bei Weizen und Gerste – kommt. Darüber hinaus können wir sicherstellen, dass wir bei der Ernte das Material benachbarter Zellen genau unterscheiden und auseinanderhalten. Fremdbefruchtende Arten werden in so genannten Isolierparzellen angebaut, zwischen denen ein Mindestabstand von 250 Metern liegt. Dieser räumliche Abstand verhindert, dass etwa Pollen verschiedener Roggenpopulationen durch den Wind vermischt werden. Und bei der dritten Gruppe, den insektenbestäubenden Fremdbefruchtern, führen wir den Anbau in Kleingewächshäusern durch. Die Vorder- und Hinterseiten sind durch eine insektendichte Gaze abgedichtet. Wir haben 170 dieser Gewächshäuser, die jedes Jahr während der Wachstumsperiode voll belegt sind.

bioSicherheit: Wird denn überprüft, ob Sie dieses Ziel - Vermeidung von Vermischungen - tatsächlich erreichen?

Andreas Graner: Ja - und zwar gibt es weitere Maßnahmen, die wir im Erhaltungsmanagement ergreifen. So werden etwa die Vermehrungsparzellen von den jeweiligen Kuratoren und Sortimentsbearbeitern regelmäßig während der Wachstumsperiode im Sommerhalbjahr kontrolliert. Das bedeutet: Das Material wird aufgrund bestimmter morphologischer Merkmale, etwa anhand einer veränderten Blütenfarbe oder Blattstellung, auf Authentizität, also Echtheit, überprüft. Auf diese Weise können Abweicher, die etwa durch Fremdbefruchtung oder Saatgutvermischungen entstehen, erkannt werden.

bioSicherheit: Finden Sie wirklich alle Abweicher?

Andreas Graner: Wenn etwa zufällig ein Samenkorn aus dem Anbau der Vorjahre im Boden liegt und dann aufkeimt, dann stimmt diese Pflanze, nicht mit dem Material überein, das man vermehren will. Wenn solche Abweichungen auftreten, werden sie von den Sortimentsbearbeitern bereinigt - genau wie das Unkraut, das in einer Parzelle wächst. Die Deskriptormerkmale, die dazu herangezogen werden, sind in einer Liste präzise beschrieben. Darüber hinaus haben wir speziell bei Weizen vor einigen Jahren genaue Untersuchungen angestellt mit Hilfe von DNA-Markern. Hierbei wurden anhand von Rückstellmustern Weizensorten verglichen, die im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zum Teil bis zu 20 mal vermehrt worden waren. Wir haben festgestellt, dass in allen untersuchten Fällen die Endmuster noch immer mit dem Ausgangsmuster identisch waren - auch nach 20 Vermehrungsschritten. Wir haben also keine Abweichungen gefunden. Das ist sicherlich ein Hinweis darauf, dass die Sortimentsbearbeiter ihre Arbeit gut machen.

bioSicherheit: Am IPK gibt es zahlreiche Projekte der Agrar- und Pflanzenforschung. Mit einigen der dabei entwickelten Pflanzen werden sicherlich auch Freilandexperimente durchgeführt, wie derzeit die Versuche mit gentechnisch veränderten Weizenlinien. Erwachsen daraus besondere Gefährdungen für die Vermehrungsflächen der Genbank?

Andreas Graner: Die Anzahl der Freisetzungen auf dem Gelände des IPK ist bisher überschaubar - nicht zuletzt wegen des damit verbundenen administrativen Aufwands. Gefahren für die Genbank ergeben sich daraus nicht. Im Rahmen unseres Qualitätsmanagements haben wir eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um mögliche Auskreuzungen oder Vermischungen mit Genbankmaterial zu vermeiden. Im Falle des aktuellen Versuchs halten wir einen Abstand von 500 Metern zu den Weizen-Vermehrungsflächen der Genbank ein. Dieser Abstand ist ausreichend, um eventuelle Fremdbefruchtung durch Pollenflug zu verhindern. Wäre das nicht der Fall, könnten wir die insgesamt etwa 30.000 Weizenmuster, die wir in der Genbank haben, nicht genetisch authentisch erhalten. Seit 60 Jahren vermehren wir in Gatersleben Weizenmuster im disjunktiven Anbau: Zwei Quadratmeter große Parzellen wie auf einem Schachbrett, immer Weizen - Gerste - Weizen - Gerste….. Wenn es eine signifikante Fremdbestäubung bei Weizen gäbe, dann würde das bedeuten, dass das Material, das wir heute in der Genbank vorhalten, mit dem, was seinerzeit in die Genbank aufgenommen wurde, nichts mehr zu tun hätte.

bioSicherheit: Bei der Genehmigung des Freisetzungsversuchs mit gentechnisch verändertem Weizen hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit der Genbank empfohlen, die Vermehrungsflächen für Weizen räumlich zu verlegen. Unabhängig, ob es dafür eine Notwendigkeit gibt: Ist das überhaupt möglich?

Andreas Graner: Aus unserer Sicht ist es faktisch nicht möglich. Es würde bedeuten, dass wir die Genbank zumindest in der Vermehrungszeit im Sommer an einer anderen Stelle aufbauen müssten. Und wo sollte diese Stelle liegen - ein Kilometer entfernt oder zehn? Eine wissenschaftliche Begründung über die „richtige“ Entfernung gibt es nicht. Auch logistisch wäre das nicht oder nur mit größtem Aufwand machbar. Wir müssten Felder anmieten und dann täglich etwa 65 Leute, die sich im Sommer mit den Vermehrungen der Genbank befassen, dorthin transportieren und später das geerntete Saatgut zurück ins Institut. Bei einem so kleinen Freisetzungsversuch - es handelt sich um etwa 11.000 Einzelpflanzen auf einer Fläche von 1.200 Quadratmetern - mit einem aus meiner Sicht nicht vorhandenen Restrisiko wäre eine Verlegung der Vermehrungsflächen ein Aufwand, der nicht machbar und auch nicht zu rechtfertigen ist.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.