Weizenzüchtung

Das Potenzial alter Landrassen nutzbar machen

24.07.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Jede fünfte Kalorie, die wir Menschen verzehren, stammt aus Weizen. Damit ist Weizen eine der wichtigsten Nahrungspflanze der Welt. Doch Krankheitserreger bedrohen vielerorts die Ernten. (Bildquelle: @ Rudi Arlt / Pixabay)

Jede fünfte Kalorie, die wir Menschen verzehren, stammt aus Weizen. Damit ist Weizen eine der wichtigsten Nahrungspflanze der Welt. Doch Krankheitserreger bedrohen vielerorts die Ernten. (Bildquelle: @ Rudi Arlt / Pixabay)

Eine Untersuchung von 827 alten Weizen-Landrassen hat gezeigt, welche kostbaren und bisher unbekannten Genvarianten in diesen Pflanzen stecken. Die Analysen könnten helfen, sie gezielt in moderne Weizensorten einzukreuzen, um die Widerstandsfähigkeit dieser Kulturpflanze gegenüber dem Klimawandel und Krankheitserregern zu erhöhen.

Es ist genau 100 Jahre her als Arthur Ernest Watkins damit begann, auf der ganzen Welt Weizensorten zu sammeln. Der Botaniker hatte früher als viele andere erkannt, wie wichtig es ist, die genetische Vielfalt einer Art zu bewahren.

Über seine Kontakte aus Armeezeiten gelang es ihm, Körner von 827 alten Landrassen aus 32 Ländern zusammenzutragen. Die Watkins-Sammlung war geboren und zeigt sich heute als unverzichtbare Ressource für die Pflanzenzüchtung.  

Weltbevölkerung wächst, Erträge stagnieren

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Symptome des Weizenbrandes an Ähren und Blättern von Weizen. Die unter (b) und (d) abgebildeten Pflanzen sind gesund.

Symptome des Weizenbrandes an Ähren und Blättern von Weizen. Die unter (b) und (d) abgebildeten Pflanzen sind gesund.

Bildquelle: © Paul, S.K. et al. (2022), CC BY 4.0 (siehe Quellen)

Denn die steht momentan vor riesigen Herausforderungen. Während die Weltbevölkerung weiter wächst, stagnieren die Erträge. Gefährliche Pflanzenkrankheiten wie Mehltau oder Weizenbrand breiten sich immer weiter aus und hinterlassen auf den Feldern eine Spur der Verwüstung. Oft haben sie leichtes Spiel, weil die genetische Vielfalt der angebauten Sorten zu gering ist.

Die Elite-Sorten bringen bei optimalen Bedingungen zwar den besten Ertrag, sind aber äußerst anspruchsvoll an ihre Umgebung und können sich meist nicht gegen (neue) Pathogene verteidigen oder bei widrigen Wetterbedingungen bestehen. Ihnen fehlen einfach die passenden Gene, weil sie im Laufe der Züchtung verloren gegangen sind.

60 Prozent der genetischen Diversität ist ungenutzt.

Eine internationales Forschungsteam hat sich diesem Problem jetzt angenommen. Sie analysierten die Weizen-Genome aus der Watkins-Sammlung, die inzwischen vom John Inns Centre in England verwaltet wird. Ihr Ergebnis: Moderne Weizensorten nutzen nur etwa 40 Prozent der genetischen Diversität der Watkins-Sammlung.

„Die fehlenden 60 Prozent, die wir in dieser Studie entdeckt haben, sind voll von nützlichen Genen, die wir brauchen, um die Weltbevölkerung nachhaltig zu ernähren“, sagt Dr. Simon Griffiths, Gruppenleiter am John Innes Centre und einer der Autoren der Studie. Darunter befinden sich Gene für eine bessere Stickstoffnutzungseffizienz, Nacktschnecken-Resistenz und Widerstandskraft gegenüber Krankheitserregern.

Kreuzungsexperimente zeigen Potential auf

Zunächst kategorisierten die Wissenschaftler:innen alle Weizenlinien in sieben Gruppen (benannt AG1 – AG7) und stellten fest, dass alle modernen Weizensorten ausschließlich auf die Gruppen 2 und 5 zurückzuführen sind. In den Watkins-Pflanzen aus den Gruppen 1, 3, 4, 6 und 7 steckt daher ein enormes genetisches Potential, welches sich mit Hilfe von gezielter Züchtung in die heutigen Elitesorten einkreuzen ließe.

Dann erzeugten sie aus der Elite-Sorte Paragon und den Watkins-Linien 6.762 rekombinante Inzuchtlinien und ließen diese über zehn Jahre hinweg in Gewächshäusern und auf Feldern in Großbritannien und China wachsen. Von jeder Pflanze wurden 137 Eigenschaften erfasst. Mit Hilfe von Algorithmen konnten sie herausfinden, welche Eigenschaften auf welche Gene zurückzuführen sind.

Daten für alle frei verfügbar

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Der Gelbrost-Erreger (Puccinia striiformis) hat ein Weizenblatt infiziert.

Der Gelbrost-Erreger (Puccinia striiformis) hat ein Weizenblatt infiziert.

Bildquelle: © Rasbak, eigenes Werk / Wikimedia, CC BY-SA 3.0

So fand sich zum Beispiel in 33 Watkins-Akzessionen eine Resistenz gegen die neue, äußerst aggressive „Warrior“-Form des Gelbrost-Erregers (Puccinia striiformis), die sich besonders in Gebieten mit hohen Temperaturen ausbreitet. Sie fanden 15 neue Genorte, die eine solche Resistenz vermitteln, und zwölf davon befinden sich außerhalb der AG2/5-Gruppen, auf denen unser moderner Weizen basiert.

Damit alle Weizenzüchter auf der Welt die neuen Ressourcen nutzen können, sind sowohl das Protoplasma als auch alle genomischen und phänotypischen Daten frei verfügbar auf Watkins & World Wheat G2B (wwwg2b.com).

Neues Resistenzgen ist alter Bekannter

Aktuell befasst sich eine Studie aus der Schweiz genau mit diesem Thema. Das Forschungsteam untersuchte, welche Gene Pflanzen immun gegen die gefährliche Krankheit Weizenbrand machen könnten. Weizenbrand trat erstmals 1985 in Brasilien auf und hat sich seitdem weltweit in tropischen und subtropischen Regionen ausgebreitet.

Die Analysen zeigten, dass das Gen Pm4, was bisher als Resistenzgen gegen Mehltau bekannt war, auch gegen Weizenbrand aktiv wird. Das ist ungewöhnlich, da Mehltau einen ganz anderen Lebenszyklus hat und vorrangig in kühlen Regionen vorkommt.

Suche in Landrassen verspricht Erfolg

Die unterschiedlichen Allele von Pm4 können in drei Gruppen eingeteilt werden: eine wirkt effektiv gegen Mehltau und Weizenbrand, eine ist machtlos gegenüber beiden Erregern, eine dritte hilft nur gegen Weizenbrand, nicht aber gegen Mehltau.

Normalerweise würden Pflanzenzüchter bei der Suche nach neuen Resistenzgenen in Wildpflanzen fahnden, die sich am gleichen Ort wie das Pathogen entwickelt haben. Doch weil der Weizenbranderreger so jung ist, muss eine andere Strategie her: die Suche in alten Landrassen. Sie könnten Gene beinhalten, die das Immunsystem der Pflanzen gegen den Pilz stärken. Vielleicht findet man dort weitere Pm4-Allele, die eine starke Resistenz gegen Weizenbrand vermitteln. Die Watkins-Datenbank könnte dabei helfen.


Quellen:

  • Cheng, S., Feng, C., Wingen, L.U. et al. Harnessing landrace diversity empowers wheat breeding. Nature (2024). doi.org/10.1038/s41586-024-07682-9
  • O’Hara, T., Steed, A., Goddard, R. et al. The wheat powdery mildew resistance gene Pm4 also confers resistance to wheat blast. Nat. Plants 10, 984–993 (2024). doi.org/10.1038/s41477-024-01718-8
  • Paul, S.K. et al. (2022): Oryzae pathotype of Magnaporthe oryzae can cause typical blast disease symptoms on both leaves and spikes of wheat under a growth room condition. In: Phytopathol Res 4, 9 (2022). doi: 10.1186/s42483-022-00114-4

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Titelbild: Jede fünfte Kalorie, die wir Menschen verzehren, stammt aus Weizen. Damit ist Weizen eine der wichtigsten Nahrungspflanze der Welt. Doch Krankheitserreger bedrohen vielerorts die Ernten. (Bildquelle: @ Rudi Arlt / Pixabay)