Schon gewusst? Mit der genetischen Uhr lässt sich das Klon-Alter bestimmen

Eine Seegraswiese in der Ostsee ist mehr als 1400 Jahre alt

21.06.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Seegraswiese (Zostera marina) in der Ostsee: Können erstaunlich alt werden (Bildquelle: © Genet (Diskussion), Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Seegraswiese (Zostera marina) in der Ostsee: Können erstaunlich alt werden (Bildquelle: © Genet (Diskussion), Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Der Methusalem unter den Seegräsern wächst vor der Insel Ängsö in der finnischen Ostsee. Diese Pflanze vermehrt sich ungeschlechtlich über Wurzelausläufer. Daher sind die Nachkommen als Klone genetisch identisch. Aber nur fast: Zufällige Mutationen verändern das Erbgut gleichmäßig mit der Zeit. Je mehr Mutationen sich in den Nachkommen anhäufen, umso älter ist der Organismus. Das ist das Prinzip der genetischen Uhr, die ein internationales Forschungsteam für die Altersbestimmung von Seegraswiesen genutzt hat.

Das Forschungsteam hat zahlreiche Wiesen der Art Zostera marina (Großes Seegras) mit der neuen genetischen Uhr untersucht – im Pazifik, Atlantik und im Mittelmeer. Vor allem in den Meeren rund um Nordeuropa fanden sie die ältesten Exemplare: Mit mehreren Hundert Jahren auf dem Buckel erreichten sie das Alter von großen Eichen. Der Rekordhalter in den finnischen Gewässern startete sein Wachstum aber schon zur Zeit der Völkerwanderung, also vor ca. 1400 Jahren.

17 Jahre im Kulturtank: Ein Seegrasklon zur Kalibrierung

Für die Anwendung der genetischen Uhr war entscheidend, dass US-amerikanische Teammitglieder einen Seegrasklon 17 Jahre in einem Kulturtank gehalten hatten. Dieser Klon lieferte die Referenzwerte und diente so als Kalibrierungspunkt für die Altersbestimmung.

Anpassen an eine dynamische Umwelt

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Mittelmeer-Neptungras (Posidonia oceanica)

Mittelmeer-Neptungras (Posidonia oceanica)

Bildquelle: © Frédéric Ducarme, Wikipedia, CC BY-SA 4.0

Die spontanen Mutationen sind aber nicht nur das tickende „Räderwerk“ der genetischen Uhr, sondern wahrscheinlich auch die Ursache, dass sich klonale Arten wie Seegräser an sich ändernde und raue Umweltbedingungen anpassen können. Weitere genetischen Analysen könnten so eines der langjährigen Rätsel der Evolutionsbiologie lösen.

Noch ältere Exemplare vor der australischen Küste vermutet

Die Größe der klonalen Seegraswiesen korreliert mit ihrem Alter. Die bisher untersuchten Wiesen hatten die Dimension eines Fußballplatzes oder etwas mehr. Aber sowohl im Mittelmeer als auch vor der australischen Küste gibt es Seegrasteppiche der Gattung Posidonia (Neptungras), die sich weit über zehn Kilometer erstecken, in einem Fall sogar über 180 Kilometer. Bisherige Schätzung auf Basis der Ausbreitung gehen von einem Alter von mindestens 4.500 Jahren aus. Es wären die mit Abstand ältesten Organismen unserer Erde. Das soll nun mit der präzisen genetischen Uhr überprüft werden.


Quelle:

Yu, L., Renton, J., Burian, A. et al. (2024): „A somatic genetic clock for clonal species.“ In: Nat Ecol Evol (2024). doi: 10.1038/s41559-024-02439-z

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Titelbild: Seegraswiese (Zostera marina) in der Ostsee: Können erstaunlich alt werden (Bildquelle: © Genet (Diskussion), Wikipedia, CC BY-SA 4.0)