Schon gewusst? Kartoffeln droht eine Krautfäule-Epidemie

Chemischer Pflanzenschutz kommt an seine Grenzen – Genschere als Hoffnungsträger

06.08.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Erreger der Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) breitet sich rasant aus und kann ganze Ernten zerstören. (Bildquelle: © Rasbak, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Der Erreger der Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) breitet sich rasant aus und kann ganze Ernten zerstören. (Bildquelle: © Rasbak, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Schweiz, Dänemark, Niederlande, Deutschland – immer mehr Länder melden starke Ertragsverluste im Kartoffelanbau. Verantwortlich ist der Erreger der Kraut- und Knollenfäule: Phytophthora infestans. Viele chemische Fungizide sind bereits wirkungslos gegen diese Krankheit. Mit neuen Züchtungstechniken wie der Genschere CRISPR/Cas könnten widerstandsfähige Kartoffelsorten erzeugt werden. Aber noch sind solche Methoden in Europa nicht zugelassen.

Das Problem ist mehr oder weniger hausgemacht. Die EU hat sich darauf verständigt, die Zulassungsvoraussetzung für chemische Pflanzenschutzmittel zu verschärfen. Landwirt:innen stehen daher immer weniger Wirkstoffe gegen die Krautfäule zur Verfügung. Außerdem sollen kleinere Mengen auf den Feldern zum Einsatz kommen. Die Folge: Der Erreger kann gegen die wenigen noch zur Verfügung stehenden Mittel schneller Resistenzen entwickeln. Aber auch natürliche Resistenzmechanismen der Kartoffeln überwindet dieses anpassungsfähige Pathogen immer häufiger. Hinzu kommt der Klimawandel: Warme und feuchte Wetterperioden nehmen zu und sind die idealen Vermehrungsbedingungen für Phytophthora infestans. So kann sich der Erreger in einem Kartoffelfeld innerhalb weniger Tage ausbreiten und die ganze Ernte vernichten.

Chemieeinsatz explodiert

Eine schnelle Lösung dieses Problems ist nicht in Sicht. Als Präventivmaßnahmen haben sich die Verwendung von gesundem Saatgut und die Entfernung aller Kartoffeln aus dem Vorjahr etabliert, um das Infektionsrisiko zu verringern. Doch der Erreger lässt sich so nicht stoppen.

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Nicht mehr essbar: eine von der Kraut- und Knollenfäule befallene Kartoffelknolle.

Nicht mehr essbar: eine von der Kraut- und Knollenfäule befallene Kartoffelknolle.

Bildquelle: © Jerzy Opiola, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 4.0

Aktuell bleibt den Landwirt:innen nur die Option, die Kartoffelfelder noch häufiger mit Fungiziden zu behandeln, die noch eine Wirkung haben. Durchschnittlich sieben bis acht Mal pro Jahr, bis zu zwölf Mal in nassen Jahren. Das ist bestimmt nicht der nachhaltigste Weg, diese Krankheit in Schach zu halten und nur möglich, solange diese Fungizide noch eine Wirkung haben. Aber wie lange noch? Die Zeit drängt.

Robustere Sorten durch herkömmliche Züchtung: ein Zeitproblem

Die Alternative: die Züchtung widerstandsfähigerer Sorten. Es gibt aber aktuell nur wenige Kartoffelsorten auf dem Markt, die Dank konventioneller Züchtung eine höhere Widerstandskraft gegen die Krautfäule haben. Und auch sie müssen mit Fungiziden vor der Krankheit geschützt werden – wenn auch weniger häufig. Zusätzlich besteht jederzeit die Gefahr, dass der Erreger die Widerstandskraft auch dieser Sorten vollends bricht.

Die konventionelle Züchtung neuer Phytophtora-resistenter Sorten ist zudem langwierig. Denn die nötigen Resistenzgene stammen in der Regel aus Wildkartoffeln und bei einer Kreuzung von Wildkartoffeln mit einer modernen Kartoffelsorte werden neben dem erwünschten Resistenzgen auch viele andere Gene der Wildkartoffel übertragen. Die Folge: Aussehen, Geschmack sowie die Transport-, Lager- und Verarbeitungsfähigkeit sind bei diesen Kreuzungsprodukten stark beeinträchtigt und so nicht als neue Sorte zulassungsfähig. Erst durch sogenanntes Rückkreuzen über viele Kartoffelgenerationen hinweg können Züchter:innen eine vermarktbare Sorte herstellen. Das kostet Zeit: 10 - 15 Jahre.

Turbo-Züchtung mit der Genschere

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Joram erklärt die Genschwere CRISPR/Cas9 - ausgezeichnet im Fast Forward Science Webvideo-Wettbewerb.

Videoquelle: © erforschtCRISPR/Youtube.com

Wesentlich schneller führen neue Züchtungstechniken wie die Genomeditierung mit der Genschere CRISPR/Cas zum Ziel. Mit der Genschere können Gene einer modernen Kartoffelsorte gezielt abgeschaltet werden, die Phytophtora für eine erfolgreiche Infektion benötigt: die sogenannten Suszeptibilitätsgene oder Anfälligkeitsgene (im Englischen „susceptibility genes“, S-genes). Auf diese Weise haben Forscher:innen bereits die Widerstandskraft der Sorte Desiree erhöht. Zudem könnten verschiedene Resistenzmechanismen kombiniert werden, um die Überwindung der Resistenz durch Phytophthora deutlich zu erschweren. Die Genom-Editierung bietet somit die Möglichkeit, Sorten, die sich auf dem Markt bewährt haben, in relativ kurzer Zeit resistenter zu machen, ohne die vorteilhaften Eigenschaften zu beeinträchtigen. Das würde die Ernten sichern und den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln erheblich reduzieren.

Aber noch unterliegen genomeditierte Pflanzen in der europäischen Union einem langen, komplexen und teuren Zulassungsprozess und sind herkömmlichen transgenen Pflanzen gleichgestellt. Unter diesen Bedingungen können genomeditierte Pflanzen praktisch nicht angebaut werden. Doch zurzeit laufen auf europäischer Ebene Bemühungen, für genomeditierte Pflanzen Ausnahmeregelungen zu erlassen (hier weitere Informationen dazu). Das wäre gut für den Kartoffelanbau und für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.


Quellen:

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Der Erreger der Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) breitet sich rasant aus und kann ganze Ernten zerstören. (Bildquelle: © Rasbak, eigenes Werk / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)