Neue Reislinien gegen Mangelernährung

Hohe Proteingehalte und niedriger glykämischer Index

24.09.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reis ist für die Hälfte der Weltbevölkerung ein wichtiges Grundnahrungsmittel. (Bildquelle: © IRRI Images - originally posted to Flickr as IMG_2039-77 / Wikipedia, CC BY 2.0)

Reis ist für die Hälfte der Weltbevölkerung ein wichtiges Grundnahrungsmittel. (Bildquelle: © IRRI Images - originally posted to Flickr as IMG_2039-77 / Wikipedia, CC BY 2.0)

Einem internationalen Forschungsteam ist es mit aufwendigen Analysemethoden gelungen, Reis zu selektieren, der deutlich gesünder ist als gängige Sorten – bei gleichem Ertrag. Auch einige der dafür verantwortlichen Gene konnten die Forscher:innen identifizieren.

Reis ist für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Zugleich ist Reis jedoch im Vergleich zu anderen Grundnahrungsmitteln eher arm an Proteinen und mit einem Trockengewichtsanteil von rund 90 Prozent reich an leicht verdaulicher Stärke. Letztere verleiht insbesondere geschältem Reis einen hohen glykämischen Index: Der Blutzucker geht nach dem Verzehr schnell und stark in die Höhe. Das erhöht nicht nur das Risiko für Typ-2-Diabetes, sondern auch für weitere Stoffwechselerkrankungen. Schon heute leiden mehr als eine halbe Milliarde Menschen an Diabetes. Insbesondere für ärmere Bevölkerungsgruppen in Asien wären daher Reissorten wichtig, die einen geringeren glykämischen Index aufweisen und idealerweise auch mehr wertvolle Proteine liefern. Jetzt hat ein Forschungsteam unter Leitung des Internationalen Reisforschungsinstituts (IRRI) und mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm erstmals die Grundlage gelegt, um solche Sorten zu züchten.

Selektion auf extreme Werte für Protein- und Amylosegehalt

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Forscher:innen ist es gelungen, den gesundheitlichen Wert von Reiskörnern zu verbessern.

Forscher:innen ist es gelungen, den gesundheitlichen Wert von Reiskörnern zu verbessern.

Bildquelle: © Leo Michels, public domain / Wikipedia

Bereits zuvor war es Forscher:innen gelungen, mittels der Genschere CRISPR-Cas9 in einem Elitekultivar von Japonica-Reis das Gen SBEIIb so zu verändern, dass die Körner einen hohen Anteil an hochresistenter Stärke aufweisen. So wird Stärke bezeichnet, die nur langsam verdaut wird und daher nicht den Blutzuckerwert stark in die Höhe treibt. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Amylose, die aufgrund ihrer unverzweigten Struktur von Verdauungsenzymen recht gleichmäßig zu Glukose abgebaut wird. Allerdings besitzen die Körner dieses Kultivars wenig Proteine wie Gluteline, die ein Proteindepot mit hohen Anteilen an Glutaminsäure und Prolin im Samen bilden können. Tatsächlich scheint es bei Reis einen natürlichen Zielkonflikt zwischen geringem glykämischem Index und hohem Proteingehalt zu geben. Hinzu kommt, dass bislang nur wenige Gene bekannt sind, die den Proteingehalt von Reis beeinflussen.

Mit einer Kombination aus Genomik, Metabolomik und Modellierungsverfahren ist es den Forscher:innen nun gelungen, diesen Zielkonflikt zu brechen. Das Team hat die Reislinien Samba Mahsuri und IR36 amylose extender (IR36ae) sowie sechs Folgegenerationen aus deren Kreuzung näher untersucht. Samba Mahsuri weist einen eher hohen Proteingehalt auf, IR36ae einen hohen Anteil Amylose. Mit jeder Nachkommengeneration selektierten die Wissenschaftler:innen Pflanzen mit möglichst extremen Werten für Protein- und Amylosegehalt.

Glykämischer Index sinkt von 70 auf 40

Dann identifizierten die Forscher:innen unter anderem anhand von QTL-Sequenzierung und QTL-Kartierung, welche Bereiche im Genom mit diesen beiden Merkmalen in Verbindung stehen. Dabei stellte sich heraus, dass das Gen SBEIIb in der Tat wesentlich darüber entscheidet, wie sich die Stärke im Reiskorn zusammensetzt. Eine bestimmte Mutation in diesem Gen reduziert die Verzweigung der Stärkemoleküle und setzt so den glykämischen Index herab. Eingriffe mittels CRISPR-Cas9, die diese Mutation nachbildeten, bestätigten die Beobachtung.  Während einige herkömmliche Reislinien einen glykämischen Index von 70 und höher aufwiesen, betrug dieser Wert der besten genomeditierten Linien weniger als 40.

Um effizient und günstig beurteilen zu können, welchen glykämischen Index eine Reislinie aufweist, trainierten die Forscher:innen eine KI darauf, diesen Wert anhand der Metabolom-Zusammensetzung vorherzusagen. Das gelang insbesondere für extrem niedrige und für hohe Werte sehr verlässlich.

Relevante Gene liegen auf Chromosom 2

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Die neuen Reislinien enthalten mehr Amylose. Dadurch sinkt der glykämische Index von Reis. Amylose besteht aus D-Glucose-Monomeren, die α-1,4-glycosidisch miteinander verbunden sind.

Die neuen Reislinien enthalten mehr Amylose. Dadurch sinkt der glykämische Index von Reis. Amylose besteht aus D-Glucose-Monomeren, die α-1,4-glycosidisch miteinander verbunden sind.

Bildquelle: © Roland Mattern, GFDL / Wikipedia

Ebenso wie SBEIIb befand sich die wichtigste regulatorische Region für den Proteingehalt der Samenkörner auf Chromosom 2. Zwei dort lokalisierte Gene beeinflussen maßgeblich die Bildung von Glutelinen, die aufgrund des hohen Anteils essentieller Aminosäuren für die Ernährung besonders wichtig sind. Zwei weitere Gene kodieren für Enzyme, die Saccharose spalten und indirekt bei der Kornfüllung den Proteingehalt erhöhen. Weitere Kandidatengene müssen in ihrer Funktion noch bestimmt werden. Darunter könnten auch Gene sein, die sowohl den glykämischen Index als auch den Proteingehalt günstig beeinflussen.

Proteingehalt versechsfacht

Die besten Linien der Studie erreichten jedenfalls schon jetzt einen Proteingehalt von rund 16 Prozent, gut das Doppelte von Samba Mahsuri und gut fünf Mal höher als gemahlener weißer Reis im Allgemeinen. Metabolomische Analysen von Reislinien mit niedrigem glykämischem Index und hohem Proteingehalt deuten auf weitere Besonderheiten hin: Zum einen weisen die Körner dieser Linien für die Ernährung besonders hochwertige Proteine auf: Bereits 100 Gramm Reis könnten für zahlreiche Aminosäuren den täglichen Bedarf decken, darunter Isoleucin (2,96 g), Leucin (2,21 g), Lysin (14,19 g), Methionin (2,57 g), Phenylalanin (2,95 g) und Valin (2,67 g). Zum anderen reicherten sie weniger Fettsäuren an.

Die hier gelungene Identifizierung von einigen Schlüsselfaktoren, die den glykämischen Index und den Proteingehalt steuern, ermöglicht es zukünftig Züchtern, gezielt neue Sorten zu entwickeln, die sowohl gesundheitsfördernde Eigenschaften als auch hohe Erträge bieten. Denn auch das konnten die Forscher:innen zeigen: Die Flächenerträge der neuen Reislinien entsprachen in etwa denen der herkömmlichen Reissorten.


Quelle:
Badoni, S., et al. (2024): Multiomics of a rice population identifies genes and genomic regions that bestow low glycemic index and high protein content. In: PNAS, Vol. 121, No. 36 (27. August 2024). doi: 10.1073/pnas.241059812.

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Titelbild: Reis ist für die Hälfte der Weltbevölkerung ein wichtiges Grundnahrungsmittel. (Bildquelle: © IRRI Images - originally posted to Flickr as IMG_2039-77 / Wikipedia, CC BY 2.0)