Nachhaltiger Kautschuk aus Löwenzahn

Pflanzen-Forschungsteam für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert

17.09.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Naturkautschuk aus Löwenzahn zeigt, dass eine neue, alternative sowie nachhaltige Rohstoffversorgung möglich ist. (Bildquelle: © Continental)

Naturkautschuk aus Löwenzahn zeigt, dass eine neue, alternative sowie nachhaltige Rohstoffversorgung möglich ist. (Bildquelle: © Continental)

Sie forschen schon seit über zehn Jahren an einer ungewöhnlichen Pflanze: dem Russischen Löwenzahn. Denn er hat das Potenzial, eine wichtige nachwachsende Rohstoffquelle zu werden. Nun wurde das Team für den diesjährigen Deutschen Zukunftspreis nominiert.

In diesem Jahr steht auch die Pflanzenforschung beim Deutschen Zukunftspreis auf der Nominierungsliste: Das Projekt „Nachhaltige Reifen aus Löwenzahn – Innovationen aus Biologie, Technik und Landwirtschaft“. Die Köpfe des Forschungsteams sind: Dr. Christian Schulze Gronover (Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME), Prof. Dr. Dirk Prüfer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und Dr. Carla Recker (Continental AG).

#####1#####
v.l.n.r.: Dr. Christian Schulze Gronover, Dr. Carla Recker und Prof. Dr. Dirk Prüfer.

v.l.n.r.: Dr. Christian Schulze Gronover, Dr. Carla Recker und Prof. Dr. Dirk Prüfer.

Bildquelle: © Deutscher Zukunftspreis

Löwenzahn als Rohstoffquelle für Kautschuk?

Die Gewinnung von Kautschuk aus Löwenzahn ist keine Utopie, sondern ein nahezu marktreifes Verfahren. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet das Team bereits an der Umsetzung. Denn der Milchsaft des ursprünglich aus Kasachstan stammenden Russischen Löwenzahns (Taraxacum koksaghyz) enthält Latex. Ein wichtiger Rohstoff für die Gummiindustrie.

Für die Naturkautschukproduktion wird klassischerweise der Kautschukbaum (Hevea brasiliensis) angezapft. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn in den Stamm des Baumes wird ein gezielter „Zapfschnitt“ geritzt und der auslaufende Saft in einem Gefäß aufgefangen. Ein Baum kann aber erst nach fünf bis sechs Jahren erstmals geerntet werden. Ein langer Zeitraum. Ein weiterer Nachteil: Der Baum wächst nur in den Tropen, was lange Transportwege für uns Europäer bedeutet. Und der Anbau dieser Bäume in riesigen Plantagen bedroht Urwälder und ihre Artenvielfalt.

Der Russische Löwenzahn hingegen wächst in unserem Breiten sehr gut und ist daher als Alternative interessant. Vor allem, weil nur der Löwenzahn-Kautschuk in unserer Klimazone an die Qualität des Kautschuks aus dem Kautschukbaum heranreicht. Grund genug, dass im Jahr 2012 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „TARULIN“ startete. Das im Förderprogramm „Pflanzenbiotechnologie der Zukunft“ realisierte Projekt erforschte den Russischen Löwenzahn als neue Quelle für Latex, Kautschuk und Inulin.

Gronover, Prüfer und Recker waren Teil des TARULIN-Konsortiums und auch durch viele weitere Projekte an der Erforschung dieser Pflanze als Naturkautschuklieferant beteiligt. Den Partnern aus Wissenschaft und Industrie gelang nach jahrelanger Forschung schließlich, was andere sich oft sehnlichst wünschen: Sie konnten am Ende ein Produkt in den Händen halten.

„Unser erster, in Serie gefertigter Fahrradreifen aus Löwenzahn-Kautschuk, der Urban Taraxagum, zeigt, dass marktfähige Produkte mit Naturkautschuk aus der Löwenzahnpflanze möglich sind“, sagt Dr. Carla Recker, Leiterin des Fachgebiets Materialchemie des Reifenbereichs bei Continental.

#####2#####
Der Urban Taraxagum von Continental ist der erste in Serie gefertigte Fahrradreifen aus Löwenzahn-Kautschuk.

Der Urban Taraxagum von Continental ist der erste in Serie gefertigte Fahrradreifen aus Löwenzahn-Kautschuk.

Bildquelle: © Continental

Die Freude ist groß

Das Team, zu dessen erweitertem Netzwerk auch das Julius-Kühn-Institut und das Pflanzenzuchtunternehmen ESKUSA gehören, hat die gesamte Wertschöpfungskette des Russischen Löwenzahns erforscht und wird nun mit der Nominierung für eine der wichtigsten Innovationsauszeichnungen in Deutschland belohnt.

„Die Nominierung ist eine große Ehre für uns. Sie bestätigt einmal mehr das Potenzial einer neuen Rohstoffquelle für Naturkautschuk“, betont Recker.

Doch es war ein langer und beschwerlicher Weg. Denn die in der Wildpflanze enthaltene Menge reichte nicht für eine industrielle Produktion aus. „Durch konsequentes, wissensbasiertes Handeln und mit moderner Analytik haben wir gemeinsam mit einem Pflanzenzüchter aus Wildpflanzen des Russischen Löwenzahns ertragreiche und widerstandsfähige Pflanzen gezüchtet. Zudem haben wir ein umweltfreundliches Verfahren entwickelt, um den Kautschuk aus den Wurzeln der Pflanzen zu gewinnen“, erklärt Dr. Christian Schulze Gronover, Leiter des Forschungsbereichs beim Fraunhofer IME.

Ein Preis für innovative und anwendungsorientierte Forschung

Der Deutsche Zukunftspreis wird seit 1997 jährlich vergeben. Mit ihm ehrt der Bundespräsident Einzelpersonen oder Teams für eine hervorragende technische, ingenieur- oder natur­wissenschaftliche Innovation. Neben der Innovationsleistung wird auch das wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenzial der Entwicklung bewertet.

Neben dem „Team Löwenzahn“ gibt es noch zwei weitere Anwärter auf den diesjährigen Deutschen Zukunftspreis: Mit dem Projekt „Quantenzählender Computertomograph – revolutionäre Einblicke in den menschlichen Körper“ geht die Siemens Healthineers AG ins Rennen. Nicht ganz überraschend in Coronazeiten ist auch das Pharmaunternehmen Biontech SE mit auf der Liste, mit dem Projekt „mRNA-Impfstoffe für die Menschheit – erster COVID-19-Impfstoff als Beginn einer neuen Ära in der Medizin“. In diesem Jahr wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Deutschen Zukunftspreis am 17. November in Berlin verleihen. Das Team von Pflanzenforschung.de wünscht dem „Team Löwenzahn“ viel Erfolg!