Insektenbestäubung und Schädlingsbefall

Biotische Interaktion fördert abiotische Anpassung

10.07.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Rübsen (Brassica rapa) in voller Blüte. Seine Anpassungsfähigkeit hängt auch von biotischen Faktoren wie Insektenbestäubung ab (Bildquelle: © Sarah Stierch / Wikimedia; CC-BY-4.0)

Rübsen (Brassica rapa) in voller Blüte. Seine Anpassungsfähigkeit hängt auch von biotischen Faktoren wie Insektenbestäubung ab (Bildquelle: © Sarah Stierch / Wikimedia; CC-BY-4.0)

Eine effektive Bestäubung durch Insekten und Stress durch Herbivore bewirken bei Rübsen eine schnellere lokale Anpassung – auch an die für die Leistung der Pflanzen so wichtigen Bodenparameter.

Die Fähigkeit einer Art, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen, ist wesentlich für ihr Überleben und steht im Zentrum der Evolution. Ganz besonders gilt das für Pflanzen, die anders als Tiere oder Menschen nicht einfach ihren Standort verändern können. Die lokale Anpassung einer Population betrifft sowohl biotische als auch abiotische Faktoren. Ein Forschungsteam aus der Schweiz hat nun zeigen können, dass die Interaktion mit Insekten bei Rübsen dazu führt, dass sich eine Population in wenigen Generationen besonders stark an veränderte Bodenbedingungen anpasst. Biotische Wechselwirkungen fördern demnach die abiotische Anpassung.

Antagonistische Pleiotropie oder konditionelle Neutralität?

Auf der Ebene der Gene gibt es zwei grundsätzliche Mechanismen der Anpassung: Ein Allel kann in einem bestimmten Habitat vorteilhaft und in einem anderen Habitat neutral wirken; dann spricht man von konditioneller Neutralität. Nur in dem bestimmten Habitat würde sich daher die Allelfrequenz nennenswert verändern. Oder ein Allel ist unter bestimmten Bedingungen nützlich, unter anderen jedoch sogar hinderlich; dann spricht man von antagonistischer Pleiotropie oder einem genetischen Trade-off. In diesem Fall würde sich die Allelfrequenz in beiden Habitaten verändern. Welcher der beiden Mechanismen für die lokale Anpassung bedeutsamer ist, war bislang unklar – und ebenso, ob viele oder nur einige wenige Gene davon betroffen sind.

Nicht zuletzt war bislang kaum untersucht, welche Rolle Symbionten, Herbivoren oder Bestäuber dabei spielen, dass sich Pflanzen an Klimaveränderungen oder chemische Bodenparameter anpassen. Die Verfügbarkeit von Bodennährstoffen könnte zum Beispiel beeinflussen, ob eine Pflanze viel Energie in die Abwehr von Herbivoren investiert oder ob sie lieber verlorenes Gewebe nachwachsen lässt. Die Anwesenheit von Herbivoren könnte also auf nährstoffarmen Böden dazu führen, dass Pflanzen ihre Abwehr optimieren. Umgekehrt könnten Pflanzen auf nährstoffreichen Böden es bevorzugen, Fraßschäden eher zu tolerieren und zerstörte Biomasse zu erneuern.

Anbau mit und ohne biotische Interaktion

#####1#####
Feld mit Rübsen.

Feld mit Rübsen.

Bildquelle: © Judgefloro / Wikimedia; CC-BY-SA-4.0

Um diese Fragen zu untersuchen, haben die Forscher:innen Rübsen (Brassica rapa) unter mehreren experimentellen Bedingungen über acht Generationen im Gewächshaus angebaut und ausgewertet, wie sich wichtige genetische Merkmale der Pflanzen verändert haben. Zunächst verteilte das Team die Pflanzen auf zwei unterschiedliche Böden – aus einer Kalksteinregion und aus einer Tuff-Region. Einen Teil der Pflanzen bestäubten die Forscher:innen per Hand, ein anderer wurde durch Hummeln bestäubt. Und jede dieser Gruppen wiederum waren noch einmal unterteilt in Gruppen, die Läusen ausgesetzt wurden bzw. ohne Schädlinge wachsen durften. Insgesamt kamen so acht Kombinationen zustande, die jeweils durch 49 Pflanzen vertreten waren.

Nach acht Generationen unter gleichbleibenden Bedingungen folgten noch zwei Generationen ohne jegliche Interaktion mit Insekten. Anschließend verglich das Team Pflanzen der ersten und der zehnten Generation.

Anpassung an biotische Faktoren bei allen Gruppen

In allen acht Gruppen fanden sich nach zehn Generationen signifikante Veränderungen bei zahlreichen Merkmalen. Etwa verringerte sich die Blattgröße bei allen Pflanzen mit Kontakt zu Herbivoren, während Pflanzen auf Tuff und ohne Insektenkontakt ihre Blätter vergrößerten. Hatten Pflanzen Kontakt mit Insekten, blühten sie zudem früher, während Hummel-bestäubte Pflanzen auf Tuffböden später blühten. Pflanzen, die in vorherigen Generationen bereits von Hummeln bestäubt worden waren, waren für Hummeln besonders attraktiv. Umgekehrt verhielt es sich bei handbestäubten Pflanzen.

In einem weiteren Schritt pflanzten die Forscher Rübsen der ersten und der zehnten Generation sowohl in deren gewohnten Bodentyp als auch in den jeweils fremden Bodentyp. Dabei werteten sie phänotypische Merkmale aus, insbesondere die Zahl der geöffneten Blüten am Bestäubungstag sowie die Attraktivität für Hummeln. Die Zahl der geöffneten Blüten galt dabei als wichtigstes Kriterium der lokalen Anpassung.

Anpassung an abiotische Faktoren nur bei Interaktion mit Insekten

#####3#####
Bei Interaktionen mit Hummeln passt sich der Rübsen schneller an bestimmte Bodenbedingungen an.

Bei Interaktionen mit Hummeln passt sich der Rübsen schneller an bestimmte Bodenbedingungen an.

Bildquelle: Schizoschaf, Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=817523

Am stärksten angepasst war demnach die Pflanzengruppe, die sowohl durch Hummeln bestäubt als auch durch Läuse gestresst worden war. Waren Pflanzen aus dieser Gruppe vom vertrauten Tuff auf Kalkstein umgesiedelt worden, verloren sie zudem ihre hohe Attraktivität für Hummeln. Auch andere Merkmale wie die Zeit bis zur ersten Blüte oder die Länge der Blütenblätter änderten sich infolge der geänderten Bodenbedingungen deutlich.

Vollgenomanalysen und die Auswertung der SNPs in relevanten Genen im Vergleich zwischen Generation eins und zehn bestätigte die phänotypischen Beobachtungen: Pflanzen mit biotischer Interaktion wiesen um eine Größenordnung mehr SNPs mit signifikant veränderter Allelfrequenz auf. Bei Pflanzen mit Läusen und Handbestäubung waren es 672 signifikante SNPs, bei Pflanzen ohne Läuse und mit Hummeln 1376 und bei Pflanzen mit Läusen und Hummeln 861. Pflanzen ohne biotische Interaktion kamen hingegen auf lediglich 103 signifikante SNPs. Muster, die auf antagonistische Pleiotropie hinwiesen, konnten die Forscher nur bei Pflanzen nachweisen, die durch Bienen bestäubt worden waren. Pflanzen ohne biotische Interaktion hatten die höchste Anzahl an Marker für konditionale Neutralität.

Trade-off-Effekte wichtiger für Anpassung als konditionelle Neutralität

Die Studie konnte somit eine massive, genomweite Anpassung an Herbivoren und die Bestäubung durch Hummeln nachweisen. Das Umpflanzungsexperiment hat zudem verdeutlicht, dass diese Pflanzen sich zugleich besonders stark an die jeweiligen Bodenbedingungen angepasst haben – ein für die Landwirtschaft wichtiger Effekt, der ohne biotische Interaktion praktisch nicht erfolgt ist. Die Genomdaten deuten dabei darauf hin, dass der Anpassung vor allem Trade-off-Effekte zugrunde liegen. Ob verallgemeinerbar ist, dass antagonistische Pleiotropie wichtiger für die Anpassung ist als konditionelle Neutralität, kann die Studie nicht beantworten. Auch die Frage, ob sich Pflanzen ohne biotische Interaktion über einen noch längeren Zeitraum dann doch noch an veränderte Bodenbedingungen angepasst hätten, bleibt unbeantwortet.


Quelle:
Dorey, T., et al. (2024): Biotic interactions promote local adaptation to soil in plants. In: Nature Communications, (2024)15:5186. doi: 10.1038/s41467-024-49383-x.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Rübsen (Brassica rapa) in voller Blüte. Seine Anpassungsfähigkeit hängt auch von biotischen Faktoren wie Insektenbestäubung ab (Bildquelle: © Sarah Stierch / Wikimedia; CC-BY-4.0)