Dürretoleranter Mais

Die Zahl der Seminalwurzeln beeinflusst, wie eine Pflanze mit Trockenstress zurechtkommt

02.09.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die meisten modernen Maissorten kommen nicht gut mit Dürre zurecht. Der Grund: Sie bilden zahlreiche Seminalwurzeln aus. Durch Züchtung könnte dieses Problem bald gelöst werden. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)

Die meisten modernen Maissorten kommen nicht gut mit Dürre zurecht. Der Grund: Sie bilden zahlreiche Seminalwurzeln aus. Durch Züchtung könnte dieses Problem bald gelöst werden. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)

Im Verlauf seiner Domestizierung hat sich der Mais an unterschiedlichste Böden und klimatische Bedingungen angepasst. Eine Studie unter Leitung der Universität Bonn hat nun gezeigt, welche Rolle dabei Veränderungen der Wurzelstruktur spielen – und wie sich das nutzen ließe, um Mais an den Klimawandel anzupassen.

Von Mexiko bis Kanada, von Deutschland bis China: Mais ist heute weltweit eine wichtige Kulturpflanze. In mehr als 9.000 Jahren hat der Mensch die unscheinbare, in Mexiko heimische Flachland-Teosinte zu der heutigen Mais-Vielfalt domestiziert und an unterschiedliche Umwelt- und Bodenbedingungen angepasst. Wie sehr sich die Pflanze in diesen Jahrtausenden gewandelt hat, zeigen ihre Wuchs- und vor allem ihre Kolbengröße. Weniger offensichtlich – und weniger gut erforscht – ist, wie sehr sich auch die Wurzelstruktur in diesen 9.000 Jahren entwickelt hat und komplexer geworden ist. Dabei kommt diesem Teil der Pflanze eine wichtige Rolle zu, wenn es zum Beispiel darum geht, Trockenperioden zu überstehen.

Startvorteil für moderne Inzuchtlinien durch Seminalwurzeln

#####1#####
In den beiden rechten Pflanzen wurde ein Gen ausgeschaltet, was dafür sorgte, dass sie weniger Seminal- und mehr Lateralwurzeln bildeten. Sie erholten sich nach Wassermangel deutlich besser als die Pflanze mit intaktem Gen (linke Pflanze).

In den beiden rechten Pflanzen wurde ein Gen ausgeschaltet, was dafür sorgte, dass sie weniger Seminal- und mehr Lateralwurzeln bildeten. Sie erholten sich nach Wassermangel deutlich besser als die Pflanze mit intaktem Gen (linke Pflanze).

Bildquelle: © AG Hochholdinger / Uni Bonn

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Bonn hat deshalb in achtjähriger Arbeit die Wurzeln von 4.868 Mais-Landrassen, 4.049 modernen Mais-Inzuchtlinien und 173 wilden Teosinte-Akzessionen aus Nord-, Mittel- und Südamerika, Europa, Asien und Afrika auf ihre Unterschiede hin untersucht. Eine wesentliche Besonderheit sind dabei die Seminalwurzeln. Sie beeinflussen die gesamte Wurzelarchitektur und bestimmen, bis in welche Tiefe und in welchem Bodenvolumen die Pflanze Wasser und Nährstoffe nutzen kann. Darüber hinaus geben Seminalwurzeln dem Keimling einen Startvorteil, weil er sehr schnell erste Nährstoffe aus der Erde erschließen kann. Während moderne Inzuchtlinien bis zu 14 Seminalwurzeln aufweisen und Landrassen bis zu 11, kommen diese in Teosinte kaum vor. Das deutet darauf hin, dass Seminalwurzeln erst im Laufe der Domestizierung entstanden sind.

Die Vermutung, dass durch die Züchtung zunächst die Samen größer werden mussten, um Seminalwurzeln bilden zu können, konnte die neue Studie nicht bestätigen. Darin fand sich nur eine schwache Korrelation zwischen der Anzahl der Seminalwurzeln und der Größe des Samenkorns bzw. dem Anteil des Embryos an der Gesamtfläche des Samenkorns. Stattdessen ergab die Studie, dass Mais, der sich durch spezielle Kohlenhydratzusammensetzungen auszeichnet – etwa Zuckermais, Mehlmais und Popcorn-Sorten – weniger Seminalwurzeln bildet als andere moderne Inzuchtlinien. Mutationsexperimente zeigten jedoch, dass die Zahl der Seminalwurzeln nicht davon abhängt, wie viele Kohlenhydrate während der Samenentwicklung verfügbar sind. Die Zunahme der Seminalwurzeln dürfte demnach unabhängig von der züchterischen Selektion auf bestimmte Samenmerkmale entstanden sein.

Kaum Seminalwurzeln bei Akzessionen aus Trockengebieten

#####2#####
Je trockener eine Region, desto geringer ist bei den dort angebauten Maissorten im Schnitt die Zahl der Seminalwurzeln (schwarze Zahl; die Tortendiagramme zeigen in gelb den Anteil der Sorten mit bis zu einer Seminalwurzel, in grün mit bis zu drei Seminalwurzeln und in blau mit mehr als drei Seminalwurzeln).

Je trockener eine Region, desto geringer ist bei den dort angebauten Maissorten im Schnitt die Zahl der Seminalwurzeln (schwarze Zahl; die Tortendiagramme zeigen in gelb den Anteil der Sorten mit bis zu einer Seminalwurzel, in grün mit bis zu drei Seminalwurzeln und in blau mit mehr als drei Seminalwurzeln).

Bildquelle: © AG Hochholdinger / Uni Bonn

Mittels Methoden des Maschinellen Lernens suchten die Forscher:innen daher nach Zusammenhängen zwischen der Zahl der Seminalwurzeln einer Varietät und dem Klima sowie den Bodentypen der jeweiligen Herkunftsorte. Traditionelle Varietäten aus trockenen Regionen besitzen demnach weniger Seminalwurzeln als Varietäten anderer Herkunft. Das Spektrum der mittleren Tagestemperatur gefolgt von den Saisonalitäten von Temperatur und Niederschlägen erwiesen sich als beste Kriterien, um die Anzahl der Seminalwurzeln vorherzusagen. Daneben scheint der Kohlenstoffgehalt des Bodens und sein Sandgehalt ebenfalls eine kleine Rollen zu spielen.

In einem weiteren Schritt nutzte das Forschungsteam eine genomweite Assoziationsstudie, um genomische Loci mit der Kombination von Umweltvariablen zu verknüpfen, die die Anzahl der Seminalwurzeln beeinflussen. Die Ergebnisse unterstützen die Schlussfolgerung, dass die Anzahl der Seminalwurzeln wahrscheinlich als indirekte Selektion auf eine erfolgreiche Anpassung an neue Umwelten geprägt worden ist.

Weitere Analysen zeigten, dass genetische Anlagen einer bestimmten Maissortengruppe die Bildung von Seminalwurzeln unterdrücken: Northern-Flint-Mais. Je mehr Northern-Flint-Anteile in einer Introgressionslinie stecken, desto geringer ist die Zahl der Seminalwurzeln. Genomanteile von Tropical Highlands, Tropical Lowlands und Southern Dent zeigten keine signifikante Korrelation.

Transkriptionsfaktor steuert Verhältnis von Seminal- zu Lateralwurzeln

#####3#####
Dr. Peng Yu (Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn) ist der Erstautor der Studie.

Dr. Peng Yu (Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn) ist der Erstautor der Studie.

Bildquelle: © Volker Lannert / Uni Bonn

Eine genomweite Assoziationsstudie mit 1.604 modernen Inzuchtlinien förderte schließlich 160 SNPs und entsprechend viele Kandidatengene zutage, die mit der Zahl der Seminalwurzeln assoziiert sind. Datenbankauswertungen nach jüngeren Mutationen identifizierten in fünf Genen Transposon-Insertionen, die zu weniger Seminalwurzeln führten, darunter ZmHb77, ein Homöobox-Transkriptionsfaktor. In der Tat: Schalteten die Forscher:innen das Gen mittels CRISPR-Cas9 aus, bildete die Pflanze weniger Seminal- und mehr Seitenwurzeln. Die Mutanten zeigten besseres Wachstum und höhere Photosyntheseraten sowohl unter Dürrebedingungen als auch bei der Wieder-Bewässerung. In modernen Inzuchtlinien identifizierte das Forschungsteam fünf Haplotypen mit jeweils unterschiedlicher Anzahl an Seminalwurzeln. Jene mit wenig Seminalwurzeln besaßen eine deutlich höhere Trockentoleranz.

Zahlreiche Vorteile bei Dürre durch weniger Seminalwurzeln

Sowohl in Keimungsversuchen ohne Erde als auch in Versuchen, in denen die Wurzeln im Boden mittels MRI-PET sichtbar gemacht wurden, analysierten die Forscher:innen, welche Auswirkungen die Zahl der Seminalwurzeln auf die Maispflanze hat. Die Versuche zeigten, dass die Zahl der Seminalwurzeln negativ mit der Länge der Primärwurzel und der Dichte der Seitenwurzeln korreliert. Da Seitenwurzeln bei jungen Maispflanzen besonders wichtig für die Wasseraufnahme sind, dürfte eine geringe Anzahl Seminalwurzeln hilfreich sein, um bei Wassermangel besser zurechtzukommen. Weitere Experimente bestätigten das: Je größer die Anzahl Seminalwurzeln, desto weniger nimmt die Pflanze über die Seitenwurzeln Wasser auf.

Anhand traditioneller Varietäten mit unterschiedlich vielen Seminalwurzeln beobachteten die Forscher:innen, dass eine geringere Zahl von Seminalwurzeln durch höhere Flussraten das lokale Wasserpotential schneller absenkt und infolgedessen die Pflanze ihre Stomata früher schließt. Die so verringerte Transpiration dürfte sich beim Keimling positiv auswirken, wenn er Trockenstress ausgesetzt ist.

Nicht zuletzt beobachteten die Forscher:innen, dass traditionelle Varietäten mit wenig oder keinen Seminalwurzeln unter osmotischem Stress besonders viel Lignin in die Spitze der Primärwurzel einlagern. Das erleichtert der Pflanze, durch trockenen und dadurch harten Boden zum Wasser vorzudringen.

Waren Seminalwurzeln lange Zeit ein Vorteil auf hinreichend gut mit Wasser versorgten Feldern, könnte es für die Züchtung nun interessant sein, deren Anzahl wieder zu reduzieren. Solche Sorten könnten deutlich besser mit den häufigeren Dürren infolge der Klimakrise zurechtkommen. Das Abschalten des in dieser Studie identifizierten Transkriptionsfaktors ZmHb77 könnte einer von mehreren Ansatzpunkten sein, dieses Ziel zu erreichen.


Quelle:
Yu, P., et al. (2024): Seedling root system adaptation to water availability during maize domestication and global expansion. In: Nature Genetics, 56, 1245–1256 (22. Mai 2024). doi: 10.1038/s41588-024-01761-3.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Die meisten modernen Maissorten kommen nicht gut mit Dürre zurecht. Der Grund: Sie bilden zahlreiche Seminalwurzeln aus. Durch Züchtung könnte dieses Problem bald gelöst werden. (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)