Der Zahn der Zeit

Epimutationen verraten das Alter von Bäumen

04.12.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Am Beispiel einer Pappel konnte der Beweis erbracht werden, dass die Epimutationsrate wie eine molekulare Uhr zur Bestimmung des Baumalters genutzt werden kann. (Bildquelle: © iStock.com/rcaucino)

Am Beispiel einer Pappel konnte der Beweis erbracht werden, dass die Epimutationsrate wie eine molekulare Uhr zur Bestimmung des Baumalters genutzt werden kann. (Bildquelle: © iStock.com/rcaucino)

Epigenetische Veränderungen wie DNA-Methylierungen beeinflussen die Genaktivitäten eines Lebewesens und werden teilweise über Generationen stabil vererbt. Ein internationales Forscherteam hat nun gezeigt, dass bei Bäumen Epimutationen mit dem Alter kontinuierlich zunehmen. Sie sind wie eine molekulare Lebensuhr und könnten auch etwas über die Lebensgeschichte eines Baumes erzählen.

Wie stark kann die Umwelt das genetische Programm von Lebewesen dauerhaft beeinflussen? Antworten auf diese Fragen versucht die Epigenetik zu liefern. Damit gemeint sind beispielsweise Methylierungen des DNA-Strangs. Sie verändern nicht die DNA-Sequenz, sondern die Lesbarkeit bestimmter Genomabschnitte – ein Mechanismus der Gene an- oder ausschalten kann.

Auch bei Pflanzen sind solche Erkenntnisse von weitreichender Bedeutung: Sie helfen ForscherInnen zu verstehen, wie sich spezifische Umweltbedingungen wie Dürren oder Temperaturschwankungen auf das Erbgut von Pflanzen langfristig auswirken können. In internationaler Kooperation haben ForscherInnen der Technischen Universität München nun eine 330 Jahre alte Pappel (Populus trichocarpa) auf seine epigenetischen Muster untersucht.

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Pappeln in Oregon: Ein Forschungsteam der Technischen Universität München und der University of Georgia zeigt erstmals am Beispiel von Bäumen, dass Epimutationen über die Lebenszeit einer Pflanze hinweg kontinuierlich zunehmen und zur Altersdatierung von Bäumen genutzt werden können.

Pappeln in Oregon: Ein Forschungsteam der Technischen Universität München und der University of Georgia zeigt erstmals am Beispiel von Bäumen, dass Epimutationen über die Lebenszeit einer Pflanze hinweg kontinuierlich zunehmen und zur Altersdatierung von Bäumen genutzt werden können.

Bildquelle: © Robert Schmitz / TUM-IAS

Pflanzen geben Epimutationen an die nächste Generation weiter

Wenn Gene durch einen äußeren Einfluss epigenetisch an- oder abgeschaltet werden, bleibt der neue Aktivitätszustand in der Regel über mehrere Zellteilungen hinweg erhalten. Frank Johannes, Professor für Populationsepigenetik und Epigenomik an der TUM erklärt: „Während bei Säugetieren epigenetische Markierungen normalerweise bei jeder Generation zurückgesetzt werden, ist dies bei Pflanzen nicht immer der Fall. Epigenetische Veränderungen können bei Pflanzen stabil an die nächste Generation weitergegeben und sogar über viele Generationen hinweg vererbt werden.“

Pappelbaum als Sammelsurium epigenetischer Veränderungen

Die Ergebnisse seiner nun veröffentlichten Studie zeigen, dass Epimutationen mit dem Alter des Baumes zunehmen und unterschiedlich alte Pflanzenteile eines Baumes sich in ihren epigenetischen Mustern stark unterscheiden. Die verschiedenen Zweige der Bäume reagieren dann zum Beispiel auch unterschiedlich auf äußere Einflüsse wie Schädlings- und Pathogenbefall sowie auf Trockenheit oder Nährstoffverfügbarkeit. Die ForscherInnen vermuten, dass die Epimutationsrate der Pappel etwa 10.000 Mal höher ist als ihre genetische Mutationsrate.

Epimutationsrate zur Altersbestimmung

Diese Entdeckung legt nahe, dass die Epimutationsrate wie eine molekulare Uhr zur Bestimmung des Baumalters genutzt werden kann. „Wir haben uns anhand der DNA-Methylierungsdaten der Blätter sagen lassen, wie alt der Baum ist. Dies ergab eine Schätzung von etwa 330 Jahren“, so Johannes. Diese Schätzung des Alters korrelierte dann gut mit dem Durchmesser des Hauptstammes und historischer Informationen über dessen Lebensgeschichte.

Erkenntnisse aus der Vergangenheit sind bedeutend für die Zukunft

Was die epigenetischen Muster noch über die Vergangenheit des Baumes alles verraten könnten, wissen die ForscherInnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Johannes und seine KollegInnen möchten dies jedoch in weiteren Studien untersuchen: „Unser Ziel ist es, historische Umweltdaten in unsere epigenetische Arbeit zu integrieren. Wir denken, dass dies ein Fenster in die Vergangenheit bieten kann, das uns helfen kann zu verstehen, wie Bäume mit bedeutenden Umweltherausforderungen umgegangen sind. Diese Art von Informationen kann nützlich sein, wenn wir über die Zukunft nachdenken, insbesondere im Hinblick auf den globalen Klimawandel.“


Quelle:
Hofmeister, B.T. et al. (2020): A genome assembly and the somatic genetic and epigenetic mutation rate in a wild long-lived perennial Populus trichocarpa. In: Genome Biology 21: 259, (6. Oktober 2020), doi: 10.1186/s13059-020-02162-5.

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Titelbild: Am Beispiel einer Pappel konnte der Beweis erbracht werden, dass die Epimutationsrate wie eine molekulare Uhr zur Bestimmung des Baumalters genutzt werden kann. (Bildquelle: © iStock.com/rcaucino)