Der SAT-Blick zeigt‘s

Detaillierte Umweltanalysen mit Satellitenbildern und künstlicher Intelligenz

11.05.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Daten vom Satelliten Sentinel-2 können dabei helfen, Änderungen der Landbedeckung zu überwachen. (Bildquelle: © contains modified Copernicus Sentinel data (2018), processed by ESA, CC BY-SA 3.0 IGO)

Daten vom Satelliten Sentinel-2 können dabei helfen, Änderungen der Landbedeckung zu überwachen. (Bildquelle: © contains modified Copernicus Sentinel data (2018), processed by ESA, CC BY-SA 3.0 IGO)

Vegetation und ihr Zustand lassen sich dank Fernerkundungssatelliten auch aus dem All analysieren: Mithilfe hochauflösender Satellitenbilder können Pflanzen bestimmt und ökologische Veränderungen in der Landschaft für große, zusammenhängende Gebiete sichtbar gemacht werden. Ein Team von Wissenschaftlern hat nun eine Technologie entwickelt, mit der Datenlücken drastisch reduziert werden.  

Hochauflösende Bilder von Erdbeobachtungssatelliten wie die des Copernicus Programms der Weltraumorganisation ESA ermöglichen u. a. ein ökologisches Monitoring der Landoberfläche. Dies ist hilfreich, um Veränderungen der Vegetation und Erdoberfläche leichter zu erkennen und über längere Zeiträume hinweg zu beobachten. Da die Bilder Momentaufnahmen sind, entstehen durch Bewölkung jedoch regelmäßig Datenlücken. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben nun einen innovativen Ansatz entwickelt, mit dem diese Lücken durch maschinelles Lernen geschlossen werden können.

Satellitenbilder machen auch Umweltprobleme sichtbar

#####1#####
Deutschlandkarte Landbedeckung. Der Algorithmus identifiziert 19 verschiedene Feldfruchtarten mit einer Genauigkeit von 88 Prozent.

Deutschlandkarte Landbedeckung. Der Algorithmus identifiziert 19 verschiedene Feldfruchtarten mit einer Genauigkeit von 88 Prozent.

Bildquelle: © UFZ

Sebastian Preidl, Studienleiter und Forscher am UFZ, erklärt den Vorteil der Fernerkundungsbilder: „Wenn wir feststellen können, was auf den Feldern einer Region wächst, können wir nicht nur auf den Nährstoffbedarf, sondern auch auf die Nitratbelastung umliegender Gewässer schließen.“ Auch durch das detailliertere Wissen über die Artenvielfalt und Ökosystemleistungen einer Region ließen sich effektivere Maßnahmen zu deren Schutz entwickeln.

Spektralbereiche sind für die Analyse entscheidend

Doch wie lassen sich solch detaillierte Informationen aus einem Satellitenbild ziehen? Die Antwort liegt in der Technik der Aufnahme: Die Sensoren der Erdbeobachtungsscanner erfassen dabei immer nur Ausschnitte (neun Spektralbereiche) aus der elektromagnetischen Strahlung. Je nach Fragestellung werden diese dann von den Forschern in Fernerkundungsprogrammen zusammengesetzt. Dabei sind Aufnahmen im sichtbaren Bereich des Lichtes und im Infrarotbereich für die Erdbeobachtung besonders bedeutend. Gesunde Vegetation reflektiert beispielsweise langwellige Infrarotstrahlen gut.

Datenlücken führen zu ungenauen Analysen

Ein zentrales Problem gibt es jedoch bei den Aufnahmen: Durch örtliche Bewölkung wird die freie Sicht auf bestimmte Landabschnitte oft verhindert und Datenlücken entstehen. Für eine klare und kontinuierliche Identifikation der Bodenbedeckung und zuverlässige Kartierungen sind aber vollständige Bildserien erforderlich. Dies liegt u. a. daran, dass für die sichere Identifikation einer Pflanzenart eine hohe Zahl an Bildpixeln in unterschiedlichen Wachstumsphasen notwendig ist.

Wolkenlose Aussicht dank Algorithmen

Gewöhnlich werden bei solchen Lücken dann künstlich gewonnene Daten aus wolkenlosen Bildpixelwerten verrechnet. Diese Methode ist allerdings recht ungenau. Preidl und sein Team haben deshalb einen neuen Ansatz entwickelt: „Wir haben uns für eine dynamische Anwendung von Modellen des maschinellen Lernens entschieden. Das heißt, wir generieren maßgeschneiderte Algorithmen für jeden Pixel“, erklärt der promovierte Geograf. „Unser Algorithmus sucht sich wolkenfreie Pixel automatisch aus dem gesamten Satellitenbilddatensatz heraus und ist nicht auf großflächig wolkenfreie Szenen angewiesen. Um jedem Bildpixel eine spezielle Feldfrucht zuzuweisen, wird die zeitliche Abfolge von wolkenfreien Beobachtungen auf Pixelebene von einer Vielzahl von Modellen berücksichtigt.“  

#####2#####

Sentinel-2: an introduction (in englischer Sprache)

Videoquelle: European Space Agency, ESA / youtube.com

Intelligente Identifikation unterschiedlicher Pflanzenarten

Dass der Ansatz erfolgsversprechend ist, zeigt ihre Analyse zur Landbedeckung für das Jahr 2016: Der Algorithmus wurde für sechs unterschiedliche Regionen in Deutschland angepasst und identifizierte mithilfe von 7 000 Satellitenbildern 19 verschiedene Feldfruchtarten mit einer Genauigkeit von 88 Prozent – bei den Hauptfeldfrüchten sogar über 90 Prozent. Daraus erstellten die Forscher eine Karte, aus der zusätzlich die Genauigkeit der Klassifikation der einzelnen Pixel hervorgeht.

Hilfe im Kampf gegen den Klimawandel

In einem gemeinsamen Projekt mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) fand der neue Ansatz auch bereits praktische Anwendung, um Baumarten zu identifizieren: „Wenn wir wissen, welche Baumarten eines Waldgebietes über die Zeit vorherrschen, lassen sich Auswirkungen von Sturmereignissen, Dürreschäden oder Schädlingsbefall besser feststellen“, sagt Preidl. Dr. Daniel Doktor, Leiter der Arbeitsgruppe Fernerkundung am UFZ, ergänzt: „Wenn diese Methodik mit anderen Modellen – beispielsweise zur Phänologie oder zur Ökologie – verschnitten wird, lassen sich nicht nur Aussagen bezüglich artenspezifischer Verwundbarkeit gegenüber Extremereignissen wie Dürren treffen, sondern auch zum zukünftigen Verhalten von Ökosystemen als Kohlenstoffquelle oder -senke.“

Dieses Wissen wäre ein großer Gewinn, um den Herausforderungen des Klimawandels effektiv begegnen zu können.


Quelle:
Preidl, S. et al. (2020): Introducing APiC for regionalised land cover mapping on the national scale using Sentinel-2A imagery. In: Remote Sensing of Environment, Volume 240, 111673, (20. April 2020), doi.org/10.1016/j.rse.2020.111673.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Daten vom Satelliten Sentinel-2 können dabei helfen, Änderungen der Landbedeckung zu überwachen. (Bildquelle: © contains modified Copernicus Sentinel data (2018), processed by ESA, CC BY-SA 3.0 IGO)